90 Minutes

90 Minutes

Der norwegische Spielfilm beobachtet drei Männer - unmittelbar bevor sie ihre gescheiterten Ehen mit verstörender Gewalt beenden.

14.11.2013

Von Dorothee Hermann

90 Minutes

Er sieht aus wie ein Cheftyp. Jedes silbergraue Haar sitzt, und die geräumige Altbauwohnung ist picobello. Wie es tatsächlich um ihn steht, erfährt man nur indirekt. Wie die beiden anderen Männer, um die es in diesem Film geht, redet der Älteste unter ihnen nur das Allernötigste. Ganz wie es das Stereotyp will, wonach Männer Probleme in sich hineinfressen - bis sie derart von ihnen überwältigt werden, dass sie ausrasten.

Der Film der norwegischen Regisseurin Eva Sorhaug läuft im "Fokus Männerperspektiven" und will in drei Beziehungen die 90 Minuten zeigen, die der Eruption häuslicher Gewalt vorausgehen. Weil sie auf die psychologische Entwicklung der Figuren, auf die Vorgeschichte der vorgestellten Beziehungen verzichtet, kann der Eindruck entstehen, sie würde drei typisierte Fälle nachstellen.

So trifft der Akt der Gewalt die Zuschauer quasi unvermittelt und zwingt sie in eine quälende Voyeursposition. Das mag absichtlich auf jene schweigende Mehrheit zielen, die immer wieder in einer stummen Straßenszene eingeblendet wird: Leute, die sich nicht einmischen, wenn die Nachbarin verprügelt wird. Didaktik passt aber besser in einen Clip für die Polizeiakademie oder die Ausbildung von Sozialarbeitern und Psychologen als ins Kino - am besten ohne den grauenhaften dräuenden Soundtrack, mit dem die Gewaltszenen unterlegt sind.

Leider erfährt man aus diesem Film kaum mehr als aus Zeitungsmeldungen wie "Dreifacher Vater löscht Familie aus". Schade, dass sich die Regisseurin nicht stärker auf ihre Beobachtungsgabe verlassen hat: wenn Stimmen und Geräusche plötzlich übermäßig laut erscheinen, wenn jemandem alle Schutzmechanismen abhandengekommen sind.

Männer rasten aus: wichtiges Thema, leider didaktisch verkürzt dargestellt.