Freunschaftliches Zusammenspiel

Am 14. Juni 1959 wurde Monthey offiziell Tübingens Partnerstadt

14.06.2017

Am 13. April 1959 berichtete die TÜBINGER CHRONIK über den Besuch einer Delegation aus Monthey, die auch eine Musikkapelle mitgebracht hat. Archivbild: Göhner

Am 13. April 1959 berichtete die TÜBINGER CHRONIK über den Besuch einer Delegation aus Monthey, die auch eine Musikkapelle mitgebracht hat. Archivbild: Göhner

Irgendwann muss man sich ja wieder vertragen. So oder so ähnlich müssen die beiden Schweizer Schriftsteller gedacht haben, die 1948 zu einem internationalen Bürgermeistertreffen nach Vevey am Ufer des schönen Genfer Sees einluden, von dem Impulse für eine neue europäische Zusammenarbeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausgehen sollten. Ein wichtiges Instrument der Versöhnung waren Städtepartnerschaften, weil hier die Bürger der einzelnen Städte ganz direkt eingebunden wurden. 1954 begegnete der Tübinger Oberbürgermeister Adolf Hartmeyer seinem Kollegen aus Monthey, einer kleinen Stadt im Rhonetal im französischsprachigen Unterwallis. Vermutlich war man voneinander ganz angetan, denn von da ab organisierten die beiden Städte einen alljährlichen Jugendaustausch.

1959 reichte die kleine Stadt in der Schweiz dann als erste den Tübingern die Hand zum freundschaftlichen Bunde: Am 14. Juni wurde Monthey ganz offiziell Tübingens erste Partnerstadt.

Schon im April waren die neuen Partner zu Besuch gekommen. Tübingen veranstaltete „Montheysaner Tage“ und lud eine große Delegation aus der zukünftigen Partnerstadt ein: Zwei Tage lang bekamen die Bürger beider Städte die Gelegenheit, sich besser kennen zu lernen. Die Universitätsstadt schmückte den Marktplatz mit Bannern und Fahnen und strengte sich auch sonst sehr an: „Tübingen war redlich bemüht, sich dem Besuch aus der Schweiz von der besten Seite zu zeigen“, berichtete die TÜBINGER CHRONIK, die den Schweizer Besuch nahezu lückenlos und mit vielen Fotos dokumentierte.

Es können nicht gerade Ähnlich- und Gemeinsamkeiten gewesen sein, die die beiden Städte motivierten, ihre Beziehungen auf so freundschaftliche Weise zu vertiefen: Monthey ist in erster Linie ein Industriestandort mit vielen wichtigen Chemiefabriken wie zum Beispiel BASF und Syngenta. Eine Universität gibt es nicht. Stattdessen baut man Achterbahnen: Das Ingenieurbüro Bolliger & Mabillard konstruiert für Rummelplätze und Freizeitparks auf der ganzen Welt Maschinen für den schönen Schwindel, für Magenflimmern und Mädchenkreischen.

Mit dem wichtigsten Montheysaner Alleinstellungsmerkmal wussten die protestantisch-nüchternen Tübinger 1959 noch überhaupt nichts anzufangen: Monthey ist nach Basel und Luzern die größte Karnevalshochburg der Schweiz, ein Zentrum der alemannischen Fasnacht. Eine große Rolle spielt dabei eine schauerliche, schräge, laute, jämmerliche Musik. Schon im 16. Jahrhundert sollen die Montheysaner mit Rasseln, Trommeln, Pfeifen, Kupferkesseln und Kuhglocken einen solchen Lärm veranstaltet haben, dass sich alle Wintergeister entsetzt aus dem Staub machten. Dabei trugen die Musikanten einfache Masken, die an Tüten erinnerten. Tüte heißt auf alemannisch „Gugg“. Also veranstalteten die tütentragenden Musikanten „Guggemusik“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich die Guggemusik aus Monthey zunächst in der Zentralschweiz und dann in Süddeutschland, Italien und Österreich. In den 50er-Jahren wurden die ersten Blaskapellen gegründet, die sich vor allem für Guggemusik zuständig fühlten.

In Tübingen durfte man noch bis 1996 warten, bevor auf dem ersten Fasnetsumzug in der Geschichte der Universitätsstadt seit der Reformation Lumpenkapellen mit ihrer Katzenmusik für die richtige Stimmung sorgten. Wenn also jemand behauptet haben sollte, die Tübinger Guggemusik hätte etwas mit der Tübinger Gôgenmusik des Weingärtner Liederkranzes zu tun, der irrt.

Darauf eine heiße Schokolade! Am besten auf der chocolART, zu der alljährlich Chocolatiers aus Monthey nach Tübingen kommen. Und Musik wird ebenfalls gemeinsam gemacht: Zum Beispiel mit dem Chor „Semiseria“ oder der Jugendband „Schwermetall“.Andrea Bachmann

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14.06.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 38sec
zuletzt aktualisiert: 14.06.2017, 01:00 Uhr

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