Verkrasste Weihnachtslieder

Das Panzerballett präsentiert ein Konzert der besonderen Art

Wie schön wäre Weihnachten – ohne Weihnachten: Nach diesem Motto hat die deutsch-österreichische Band Panzerballett ein etwas anderes Weihnachtsalbum aufgenommen, das sie im franz.K vorstellen wird.

06.12.2017

Wenn Headbanger sich Weihnachtslieder vornehmen, dann muss man sich festhalten.Bild: Spieß

Wenn Headbanger sich Weihnachtslieder vornehmen, dann muss man sich festhalten.Bild: Spieß

Richtig harmlos sehen sie aus, die fünf Konservatoriumsabsolventen aus München, Linz und Salzburg. Doch sobald sie ihre Instrumente zur Hand nehmen, bricht ein wahres Höllengewitter über das Publikum herein. Dann vibriert der Brustkorb und die Ohren klingeln. Dann werden respektlos musikalische Regeln gebrochen, brachiale Hardrock-Klischees bemüht, dem Jazz flinke Beine gemacht. Oder – wie bei dieser Tournee – Weihnachtsgrüße in Form von „verkrassten Weihnachtsliedern“ unter die Leute gebracht. Die fünf Musiker haben ihre acht persönlichen Lieblings-Weihnachtslieder neu arrangiert, sie auf jeweils sechs Minuten erweitert und auf ihr neuestes Album „X-Mas Death Jazz“ gepresst, das Mitte Dezember erscheint.

Entstanden ist ein verwegener Stilmix zwischen wummerndem Heavy Metal, rhythmischen Staccato-Attacken und funkigem Art-Jazzrock, der gar nicht mehr weihnachtlich klingt, denn alles, was den Originalen geblieben ist, sind die Tonfolgen der Melodien. Lustvoll und mit viel Humor gehen Jan Zehrfeld (Gitarre), Joe Doblhofer (Gitarre), Alexander von Hagke (Saxofon), Heiko Jung (Bass) und Sebastian Lanser (Drums) zur Sache. Das Vertrackte wird bei diesen ausgewiesenen Krachmachern polyrhythmisch aufgeladen, mit rhythmischem Maschinenfeuer und explosionsartigen Gitarren- und Saxofonsoli beschossen, nur um dann wieder ironisch gebrochen zu werden.

Übrig bleibt eine kunstvoll und schräg arrangierte Musik, zu der man gerne tanzen würde, wenn einen die ständigen Taktwechsel nicht daran hinderten. Neben Eigenkompositionen wie „Rübli-Torte“, „Sehr funk“ oder „Friede, Freude, Fußball“ werden Weihnachtsklassiker wie „White Christmas“, „Leise rieselt der Schnee“ oder „Last Christmas“ auf kunstvolle Weise in Headbanger-Jazz übersetzt. Mit viel Dynamik dröhnen die Titel aus den Lautsprecherboxen, der Klang allerdings ist fein austariert: Schräge, verzerrte, teils vom Gitarristen und Saxofonisten gleichzeitig vorgetragene Akkordschleifen, die intonationssicher und makellos gespielt werden.

Ihre Musik hat sich ein ganz eigenes, unverwechselbares Koordinaten- und Bezugssystem geschaffen, in dem Substanz klischeefrei überwintern kann und aus dem die Lust am Leben nur so fließt. Dabei hat das Panzerballett mit Jazz soviel gemein wie weiland Frank Zappa. Und wie den unbequemen Klangerneuerer aus den USA scheint sie das nicht weiter zu stören: Durchkomponierte Motive werden da übereinander geschichtet, banale Klänge rhythmisiert. Das Panzerballett tut das mit der brachialen Egomanie eines totalitären Herrschers, der das Feinsinnige tilgen will und deshalb Klischee auf Klischee schichtet. Und wenn es zwischendrin mal für Sekunden etwas stiller wird, heißt es nach kurzer Zeit schon wieder sich festhalten, damit einen die nächste Attacke nicht hinwegfegt.

Das Panzerballett wischt alle Zweifel, ob diese Art Musik für ein Jazzpublikum geeignet ist, mit kompromissloser Spiellust hinweg. Jeder greift energisch zu, Bassist Heiko Jung, der erst vor zwei Jahren hinzugestoßene Gitarrist Joe Doblhofer, Saxofonist Alexander von Hagke und natürlich Teufelsgitarrist Jan Zehrfeld, von dem auch die meisten Eigenkompositionen stammen. Niemand macht sich Sorgen, ob das Material vielleicht zu sensibel sein könnte, zu wenig belastbar. Hauptsache, es funkt, swingt und groovt.

Selbst eingefleischten Jazzfans macht es einen Heidenspaß, sich vom alles vereinnahmenden Kraftstrom dieser Band mitreißen zu lassen. Denn weit entfernt von jeglichem Kitsch werden hier Weihnachtsklassikern ganz neue Facetten abgewonnen. Jürgen Spieß

Das Panzerballett spielt heute, 6. Dezember, um 20 Uhr im Reutlinger franz.K.

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Erstellt:
06.12.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 06.12.2017, 01:00 Uhr

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