Hunderte im Gesang vereint

Das integrative Festival „Kultur vom Rande“ findet vom 24. Juni bis 2. Juli statt

Unter dem Motto „Hast du Töne!“ veranstaltet Kultur vom Rande zum siebten Mal ein integratives Festival, bei dem Darsteller unabhängig von Benachteiligung und Behinderung acht Tage lang Kultur auf Reutlinger Plätzen, Hinterhöfen, in einem Zelt im Bürgerpark an der Stadthalle und im franz.K bieten.

14.06.2017

Insgesamt 15 Gastspiele von Ensembles aus neun Nationen sind beim Reutlinger Festival „Kultur vom Rande zu erleben. Bild: Spieß

Insgesamt 15 Gastspiele von Ensembles aus neun Nationen sind beim Reutlinger Festival „Kultur vom Rande zu erleben. Bild: Spieß

Reutlingen. „Die Grenzen zwischen vermeintlicher Normalität und Besonderheit auflösen, Verständnis für das Andere wecken und Talente behinderter Kunst- und Kulturschaffender vom Rand der gesellschaftlichen Wahrnehmung mitten in die Stadt holen“: Darum geht es den Veranstaltern dieses in Süddeutschland einzigartigen Projektes, das zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter tatkräftig unterstützen.

Diese Unterstützung ist auch bitter nötig, denn mehr als 80 Einzelveranstaltungen, die Unterbringung von mehr als 200 Akteuren aus ganz Europa, den USA, Kanada und Chile sowie zahlreiche Workshops müssen von den Veranstaltern Kulturverein Baff, Bruderhausdiakonie, Stadt Reutlingen und der Fakultät Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule erstmal geschultert werden. Beim letzten Festival 2014 kamen mehr als 6000 Besucher, um mitzuerleben, wie Künstlerinnen und Künstler mit Handicaps ihre Talente einsetzen. Die Idee für das Theaterfestival entstand im Oktober 1999 mit dem Anspruch, verschiedene künstlerische und kulturelle Ausdrucksweisen von Randgruppen sichtbar zu machen.

Mit den Vorbereitungen sind wie in den vergangenen Jahren Koordinationsleiterin Elisabeth Braun und Rosemarie Henes vom Mitveranstalter Baff seit Monaten beschäftigt. Wichtig ist den Organisatoren, dass die Kulturwoche nicht als Insiderfestival für Sozialpädagogen und Schülergruppen, sondern als Angebot für alle Kulturinteressierten angesehen wird. Das Festival steht unter dem bezeichnenden Motto „Hast du Töne!“. Deshalb stehen bei der Abschlussveranstaltung am Sonntag, 2. Juli, auf dem Marktplatz hunderte von Stimmen im Mittelpunkt. Menschen mit und ohne Handicap werden eingeladen, sich unter der Leitung von Patrick Bopp und Sanna Valvanne zu einem großen Chor zu vereinen. Organisiert wird die interaktive Sing-Aktion in Kooperation mit dem Chorverband Ludwig Uhland. Die Teilnahme ist für alle offen, Anmeldungen sind erwünscht.

Zum bewährten Mix aus Musik- und Theateraufführungen, Workshops und Tanzvorführungen ist dieses Jahr erstmals auch ein ganzer Tag eingeplant, um Hip-Hop-Jam, Rap, Breakdance und Graffiti zu präsentieren. Nur bei Kultur vom Rande gibt es das sogenannte „basale Erlebnistheater“, ein Angebot für Schwerst- und Mehrfachbehinderte, bei dem Theater zum Fühlen, Anfassen und Erleben geboten wird. Zentrales Element sind jedoch die abendlichen Musik- und Theateraufführungen im franz.K. Insgesamt 15 Gastspiele von Ensembles aus neun Nationen sind hier zu erleben. Auch die neue Tonne-Produktion „Irre ist menschlich“, das Figurentheater Tübingen mit seinem „Theater der Elemente“, zahlreiche Sing-Aktionen mit der finnischen Stimmbildnerin Sanna Valvanne und Straßentheater-Aktionen sind dieses Jahr dabei.

Für den Auftakt im Festivalzelt sorgen am Samstag, 24. Juni, das Jazzensemble Dortmund mit Breakdance-Vorführungen sowie die Straßentheatergruppe Hijinx aus Großbritannien. An den folgenden Tagen sind etwa die Compagnie Création Ephémère, das Théâtre du Cristal aus Frankreich, das Teatro La Ribalta aus Bozen, die „tanzbar“ aus Bremen oder die Gruppe Brût aus Passau. Aber nicht nur abends im franz.K, auch tagsüber bietet das Festival außergewöhnliche Begegnungen: Etwa bei den zahlreichen Workshops und Kunstaktionen, beim großen Hip-Hop-Tag oder bei den erstmals in der Stadtbibliothek stattfindenden Lesungen von Gedichten Georg Paulmichls in der Reihe „Blaue Stunde“. Ein inklusiver Leseclub ist ebenfalls geplant.

Das Festival ist inzwischen eine feste Größe im Reutlinger Kulturleben, kooperiert eng mit städtischen Partnern und ist Vorreiter für ähnlich konzipierte Veranstaltungen in ganz Baden-Württemberg: „Wir wollen neue Möglichkeiten von Sichtweisen aufzeigen“, so Rosemarie Henes. „Randgruppen sollen als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft angesehen werden.“ Jürgen Spieß

www.kultur-vom-rande.de

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Erstellt:
14.06.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 14.06.2017, 01:00 Uhr

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