Den Reutlinger Kunstraum „Vitamin“ gibt es seit zwei Jahren

Das „Vitamin“ ist ein Kunstraum im Miniformat, der Kunst etwas anders präsentiert und in der Region vor allem unter Insidern bekannt ist. Denn die fünf Kunstbetreiber planen ihre Ausstellungspartys mit Konzerten immer nur für einen Abend und geben die alle paar Monate ausgerichteten Events ganz kurzfristig bekannt.

Schon beim Betreten des wohl kleinsten Kunstraums in der Region fällt auf: hier geht es nicht ausschließlich um die Präsentation von Bildern, Skulpturen oder Fotoarbeiten, sondern um Gedankenaustausch und Begegnungen, um eine Präsenz schaffende Kunstauffassung. Der Kunstraum „Vitamin“ liegt ziemlich versteckt in einem Hinterhof der Reutlinger Echazstraße 4. Nicht mehr als zehn bis zwölf Arbeiten finden hier Platz und die werden auch nicht in wechselnden Ausstellungen für einen längeren Zeitraum, sondern nur beschränkt auf einen Abend bei einer Party mit Livemusik gezeigt. Dann verwandelt sich der Hof vor dem Kunstraum in ein Mini-Volksfest. Es spielen bekannte Bands und gegen später legt ein DJ Musik auf.

So wie unlängst, als zunächst der österreichische Freddie Mercury Austrofred und danach Isolation Berlin, die deutsche Indierock-Entdeckung des Jahres 2016, den Projektraum rockten. Dazu gab es Arbeiten von Tim Berresheim zu sehen. Der Kölner Künstler zeigte in seiner Ausstellung „Next Step: Cro Magnon 4.0 Cave Paintings“ Bilder aus einer virtuellen Höhle, deren Vielfältigkeit erst durch das Tragen einer rot-grünen 3-D-Brille ihre Bedeutung erlangen. Dazu veranschaulicht eine App, die jeder schnell herunterladen kann, wie die Bilder entstehen. Aber nicht nur im Ausstellungsraum, auch im Freien ist etwas geboten: Es werden scharfe Würste, selbst gebackenes Brot und Borscht gereicht und zwischen Kunstraum, Hof und angrenzender Garage herrscht entspanntes Flanieren.

Vor zwei Jahren haben die Maler Jochen Görlach und Eckart Hahn sowie Raumplan-Geschäftsführer Ehrhard Vogel den Kunstraum „Vitamin“ ins Leben gerufen. „Der Raum war frei – warum ihn nicht für Kunst nutzen?“, sagten sich die Kunstliebhaber und holten den Mediziner und Sammler Michael Heuser sowie den Reutlinger Kunstvereinsleiter Christian Malycha hinzu. Die fünf Kunst-Enthusiasten zeigten zum Auftakt Arbeiten des aufstrebenden Hollywood-Schauspielers James Franco, der als Gegenspieler von Spiderman oder als Zauberer in „Die fantastische Welt von Oz“ dem Kinopublikum bekannt sein dürfte. In seiner Kunst unterläuft der Frauenschwarm aus Hollywood den Starkult sowie Rollen- und Geschlechterklischees auf provokante und exhibitionistische Weise.

Des Weiteren gab es Werke von Madeleine Boschan, den beiden Bildhauern Axel Anklam und Ulrich Strothjohann, den Reutlingern Jorinde Voigt und den in Berlin lebenden Künstlern Sven Drühl, Jan Muche, Tanja Rochelmeyer, Maik Wolf und nun Tim Berresheim jeweils an einem Abend zu sehen. Natürlich waren die beiden Vitamin-Mitgründer Jochen Görlach und Eckart Hahn mit ihren Bildern auch schon vertreten. Für die Livemusik sorgten bereits Pete Williams von den Dexys Midnight Runners, die Bands Stragula und Helikon und kein Geringerer als der Hamburger Charmeur, Sänger und Entertainer Bernd Begemann.

Die fünf Betreiber des kleinen Kunstraumes haben zwar einen unterschiedlichen Zugang, aber gemein ist ihnen allen ihre Liebe zur Kunst – nicht eindimensional und abgehoben, sondern vielfältig und auch ein bisschen verrückt. Man kann gespannt sein auf die nächsten Vitaminspritzen.