Großartiger Prediger

Der Sohn eines Baders machte Karriere an der Uni

19.07.2017

Der Sohn eines Baders machte Karriere an der Uni

Wann er auf die Welt gekommen ist, weiß man nicht genau, vermutlich im Jahre 1460. Sicher ist: Er heißt Martin Plantsch und ist in Dornstetten im Schwarzwald aufgewachsen. Sein Wappen ziert ein halbgeöffnetes Rasiermesser, das Zunftzeichen der Barbiere, Bader und Chirurgen – es ist also anzunehmen, dass sein Vater einen dieser Berufe ausübte.

Es gab tatsächlich einen Hans Blantsch in Dornstetten, der als „Scherer“ bezeichnet wird. Der errichtet eine Jahrtagsstiftung für seine Eltern, seine Frau und sich selbst, was wiederum darauf schließen lässt, dass die Familie wohlhabend genug war, um sich ihr Seelenheil etwas kosten zu lassen. Da es seit 1463 einen Schulmeister und eine Lateinschule in Dornstetten gab, wird Martin Plantsch in seiner Heimatstadt auf den Besuch der Universität vorbereitet worden sein. Tatsächlich geht er 1477 an die Universität nach Heidelberg, der er aber bereits nach einem Semester den Rücken kehrt, um sich an der gerade neu eröffneten Universität Tübingen zu immatrikulieren.

Ein Jahr später wird er zum Baccalaureus promoviert. Für den Magistertitel braucht er etwas länger – bis 1483 – dann ist er aber Jahrgangsbester. Anschließend studiert er Theologie und unterrichtet gleichzeitig an der Artistenfakultät, unter anderem die „Physik“ des Aristoteles.

Plantsch macht zügig Karriere, wird in den Rat der Artistenfakultät aufgenommen, zum Dekan gewählt und 1489 bekleidet er ein Jahr lang das Amt des Rektors der Universität. 1494 ist er Doktor der Theologie.

Der Sohn eines Baders ist ein angesehenes Mitglied der Tübinger Gelehrtenrepublik, seine Professorenfreunde machen ihn zum Paten ihrer Kinder und beauftragen ihn mit der Abwicklung wichtiger Kaufverträge. König Ferdinand beruft ihn 1525 in eine Expertenkommission, die eine Studienreform durchsetzen soll. Man visitiert, stellt Mängellisten auf und macht Verbesserungsvorschläge. Ob tatsächlich etwas davon durchgesetzt worden ist, weiß man nicht.

Nachdem Martin Plantsch mehrere kleine Priesterämter in verschiedenen Dörfern innehatte, wird er 1491 Stadtpfarrer von Tübingen. Die Stadtpfarrstelle war mit der Universität und dem Stift Sankt Georg und Sankt Martin eng verflochten und sicherte Dr. Plantsch neben einer hervorragenden Besoldung das eine oder andere Privileg: So musste ihm zum Beispiel jeder Kandidat, der zum Doktor der Theologie promoviert wurde, ein Paar hirschlederne Handschuhe schenken!

Er soll ein großartiger Prediger gewesen sein, dessen Beredsamkeit weit über Tübingen hinaus bekannt war. Im Mai 1514 holt ihn der Vogt Konrad Breuning ins Tübinger Rathaus, damit er den Aufständischen vom „Armen Konrad“ ins Gewissen reden soll, um sie „im Gehorsam zu erhalten, was ihm ohne sonderliche Mühe gelungen sei“, wie Chronist Martin Crusius feststellt.

Der Bischof von Konstanz bittet ihn 1523 um eine Predigt zu Maria Lichtmess im Dom zu Konstanz. Das endet in einem Eklat. Der Domprediger Johannes Wanner, ein Anhänger der neuen Lehre, verbietet dem konservativen und bis an sein Lebensende „altgläubigen“ Martin Plantsch die Kanzel und Stadtrat, Domkapitel und Bischof geraten darüber in eine heftige Auseinandersetzung. Sogar bei dem ersten Zürcher Religionsgespräch mit Huldrych Zwingli am 29. Januar 1523 nimmt Plantsch teil, aber er meldet sich nur zweimal zu Wort und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck.

Bleibenden Eindruck hinterließ er in Tübingen. Mit seinem Freund Georg Hartsesser gründete er 1509 zur Ehre Gottes und zu seinem eigenen Seelenheil eine Stiftung für arme Studenten. Das „Collegium Sanctorum Georgii und Martini“ sollte ihnen Wohnung und Verpflegung zur Verfügung stellen. Außerdem erhielten sie Zusatzunterricht und verfügten über eine eigene Bibliothek. Zunächst wohnten die Studenten in dem Haus in der Langen Gasse 6, 1683 bezogen sie das Haus gegenüber der Stiftskirche, das noch heute Martinianum heißt. Die Studienstiftung gibt es, wenn auch in veränderter Form, bis heute. Martin Plantsch ist am 18. Juli 1533 gestorben. Andrea Bachmann

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19.07.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 19.07.2017, 01:00 Uhr

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