Die weibliche Seite des IS

„Die Tonne“ zeigt Barbara Herolds„Töchter des Jihad“

Um Mädchen, die sich dem IS anschließen, geht es in Barbara Herolds „Töchter des Jihad“. Die Theaterproduktion kommt im Oktober ins Reutlinger Tonne-Theater.

17.08.2016

„Die Tonne“ zeigt Barbara Herolds„Töchter des Jihad“

Der sogenannte Islamische Staat (IS) versorgt uns derzeit fast täglich mit neuen Horrormeldungen. Neben der menschenverachtenden Bestialität der Terroristen, denen nichts heilig zu sein scheint, erschüttern immer wieder Fälle von männlichen und zunehmend auch weiblichen Teenagern, die ihrer bisherigen Gesellschaft den Rücken kehren, um sich dem Jihad in Syrien anzuschließen.

Die aus München stammende und seit 1991 überwiegend in Österreich arbeitende Regisseurin Barbara Herold hat zu diesem Thema mehr als anderthalb Jahre lang recherchiert, Material zusammengetragen und daraus ein Theaterstück gemacht, das ab Oktober im Reutlinger Theater „Die Tonne“ gezeigt wird. Darin geht es um die Verführbarkeit von Menschen, um die Beweggründe, vor allem von jungen Frauen, das sichere Europa zu verlassen, um sich im Glauben an eine politische und religiöse Utopie den IS-Kämpfern anzuschließen. In einer Art Szenencollage zeigt sie, wie diese Rekrutierung junger Frauen – meist über das Internet – vonstatten geht:„Das ist vergleichbar mit den schlimmsten sektiererischen Methoden“, sagt die Regisseurin, „da wird mit Hilfe eines ideologischen Gerüsts die Sehnsucht nach einem gottesfürchtigen Leben, nach Idealismus und Geborgenheit bedient“.

Barbara Herold, die bekannt dafür ist, sich an schwierige Themen heranzuwagen, geht es bei ihrem interaktiven Stück vor allem darum, die Denkmuster von fundamentalistischen Moslems, Salafisten und des IS-Kalifats zu entlarven. Auf der anderen Seite wirft sie einen – zum Teil auch realsatirischen – Blick auf die Motive der jungen Frauen, die sich als Sex- oder Kanonenfutter für die IS-Kämpfer opfern. Auf der Grundlage von Skype-Gesprächen zwischen einer angeblichen Konvertitin und einem IS-Kämpfer, von Videobotschaften der IS-Propaganda, journalistischen Texten und Auszügen aus Facebook-Einträgen, reiht Herold Szenen aneinander, die das Leben im Islamischen Staat und die Etappen der ideologischen Indoktrination beleuchten.

Eine zentrale Frage lautet: Wie ist es möglich, dass junge Mädchen auf die Freiheiten des Westens verzichten und sich einer Situation ausliefern, die sie meist mit dem Leben bezahlen müssen? Dazu Barbara Herold: „Oft wollen die jungen Frauen Hilfe leisten und Teil einer neuen multiethnischen Gesellschaft werden - es ist oft eine Mischung aus Helfersyndrom und Lara Croft“. Auch die sexuelle Komponente spiele häufig eine Rolle: „Die Mädchen stellen dabei ihre Körper quasi in den Dienst der höheren Sache“, so Barbara Herold. In der Koproduktion des Tonne-Theaters und der freien Schauspielergruppe „dieheroldfliri.at“ spielen Diana Kashlan, die die Tochter eines Syrers und einer Tschechin ist, Peter Bocek und die durch ihre Arbeit für das Tonne-Theater bekannte Maria Fliri.

Zwar ist das Thema derzeit in aller Munde, auf einer Theaterbühne war es bisher aber noch kaum zu sehen. Dabei ist jedes an Extremismus und Menschenverachtung verlorene Kind eine Tragödie. Nicht nur für dessen Eltern. Auch die Gesellschaft selbst, die Teile ihrer jungen Mitglieder in die Irre gehen lässt, läuft Gefahr, ihre Einheit zu verlieren. Jürgen Spieß

Premiere von „Töchter des Jihad“ ist am Donnerstag, 13. Oktober, um 20 Uhr im Reutlinger Theater „Die Tonne“.

In ihrem Theaterstück beschäftigt sich Barbara Herold mit der Frage, warum junge Mädchen auf die Freiheiten des Westens verzichten und sich einer Situation ausliefern, die sie meist mit dem Leben bezahlen müssen.

In ihrem Theaterstück beschäftigt sich Barbara Herold mit der Frage, warum junge Mädchen auf die Freiheiten des Westens verzichten und sich einer Situation ausliefern, die sie meist mit dem Leben bezahlen müssen.

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17.08.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 17.08.2016, 01:00 Uhr

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