Gare du Nord

Gare du Nord

Der Pariser Nordbahnhof wird in "Short Cuts"-Manier zum Schauplatz einer Reihe tragischer und komischer Menschenschicksale.

07.10.2013

Von Klaus-Peter Eichele

Gare du Nord

Eine halbe Million Menschen, quer durch alle Schichten, Generationen und Ethnien, passiert täglich den Pariser Nordbahnhof. Diesen Mikrokosmos hat die vom Dokumentarfilm kommende Regisseurin Claire Simon zum Schauplatz ihres fünften Spielfilms gemacht. Als Führer durch das Gewimmel fungiert der Soziologiestudent Ismael (Reda Kateb aus „Zero Dark Thirty?), der den „Dorfplatz der ganzen Welt? zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht hat.

Neben dem Beobachten und Befragen der Durcheilenden bleibt ihm aber noch Zeit, die 30 Jahre ältere (und, wie man bald erfährt, krebskranke) Professorin Mathilde (Nicole Garcia) anzubaggern. Tatsächlich entsteht daraus eine Art Amour, in deren Verlauf sich die beiden gemeinsam auf die Pirsch nach Schicksalen begeben, von Verkäuferinnen und Wachleuten, Politaktivisten und unglücklich Verliebten.

Filmisch mischt Simon unbekümmert Liebesdrama und Sozialreportage, Ausgedachtes und Authentisches (etwa die Interviews mit den am Bahnhof herumhängenden Immigranten). Zumindest in der ersten Hälfte des Films verdichten sich diese Schlaglichter zu einem beeindruckenden Panorama der Lebenslagen und Lebensentwürfe, der Träume und Sehnsüchte im globalen Dorf.

Später sprießen aus dem Menschenknäuel weitere Hauptfiguren, so der Fernsehkomiker, der nach seiner ausgerissenen Tochter sucht, oder die an ihrer Rastlosigkeit verzweifelnde junge Maklerin. Allerdings fehlt es diesen eher konstruierten Charakteren etwas an Schärfe und Tiefe, so dass der Film am Ende seiner Zwei-Stunden-Distanz ein bisschen ins Schlingern gerät.

„Short-Cuts?-verwandtes Panorama von Menschen, für die der Bahnhof das Wohnzimmer ist.