Liebeserklärung an Mali

Habib Koité und seine Band bieten betörende Weltmusik aus Mali

Er spiegelt in seiner Musik unterschiedlichste Kulturen wider: Der westafrikanische Sänger und Gitarrist Habib Koité gastiert in der Reihe „Songs & Poesija“ im Reutlinger franz.K und stellt sein aktuelles Album „Soô“ vor.

22.11.2017

Habib Koité und seine Band bieten betörende Weltmusik aus Mali

Museale Bewahrung ist nicht die Sache des 1958 geborenen Habib Koité. Der aus einer alten Musikerfamilie von Griots – den afrikanischen Nachrichten- und Historienerzählern – stammende malische Sänger und Gitarrist schreibt die Überlieferung seiner Heimat fort, indem er sie in den lebendigen Prozess der musikalischen Gegenwart herüberzieht.

Das kommt auch auf seinem siebten Album „Soô“ zum Ausdruck, das eine Liebeserklärung an seine Heimat ist. Koité hat zwar die afrikanische Laute N’Goni durch die Gitarre ersetzt, mit seiner Zupftechnik kommt er dem leicht metallischen Klang der N’Goni aber verblüffend nah. Der balladenhafte Teil seiner Stücke erinnert bisweilen an die Lieder der nordamerikanischen Folkpoeten. Doch was Koité erzählt, entspricht der althergebrachten Rolle der Griots. Um die Gesellschaft bewegende Themen geht es. Die Spannung zwischen Tradition und Moderne, die damit verbundenen Chancen und Verlockungen, aber auch die Gefahren für die kulturelle Identität Afrikas.

In seinen Konzerten wechselt Koité immer wieder zwischen schlank instrumentierten, in einem steten sanften Fluss stehenden Stücken und perkussiv dominierten Nummern mit moderat angezogenen Tempi. Aus Soul, Blues und Pop schöpft seine Band verschiedene Grundierungen: Schlagzeug und Bass mischen in der Rhythmik mit, aber schön zurückhaltend. Es sind immer die traditionellen Melodien, die im Fokus stehen. Dazu Koités weiche Baritonstimme, die sehr geschmeidig ist und nur bisweilen ins Stakkatohafte ausbricht. Afrikanische Klischees, etwa von perkussiver Unbändigkeit und instrumentalem Zauber, bedient Koité nicht.

Es ist das melodisch geprägte Songgerüst, innerhalb dessen sich Habib Koité und seine 1988 gegründete Begleitband Bamada bewegen. Der studierte Sänger und Gitarrist wuchs in einer großen Familie mit 17 Geschwistern auf, in der der Umgang mit Musik und diversen Instrumenten ganz natürlich war. Was den Reiz seiner Musik ausmacht, ist die Spannung zwischen der althergebrachten Tradition und der Moderne. Was zunächst fremd anmutet, etwa die malischen Instrumente N’Goni und Kora oder die folkloristischen Songs mit ihren teilweise schwermütig-melancholischen Klängen, wird immer wieder durch einen eingängigen Pop-Rhythmus in das uns vertraute Lebensgefühl übersetzt. Zumal Koités Mitmusiker – insbesondere der Belafon-Virtuose Kélétegui Diabaté – Zwischentöne finden, die sich einfühlsam der Stimme des 59-jährigen Bandleaders anpassen.

Überhaupt diese Stimme: Habib Koité überzeugt gar nicht mal so sehr durch den Einsatz eines variationsreichen Organs, sondern durch seine weiche Baritonstimme. Die beiden Perkussionisten, zwei Gitarristen sowie ein Bassist und Holzxylophonist zeigen auf verblüffende Art und Weise, wie man einen immer gleichen Beat farbenfroh und sinnlich aufbereiten kann: von althergebrachter afrikanischer Hochzeitsmusik bis hin zu Afropop, Flamenco und Reggae, vom malischen Djondon-Rhythmus bis zu Einflüssen aus dem schwarzafrikanischen Soul – vieles passt da zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört.

Obwohl der westliche Einfluss in Form von leicht verdaulichen und verpopten Melodien einen großen Platz einnimmt, setzen Koité und seine Band Bamada (das bedeutet Krokodilmaul) ihre Identität und Glaubwürdigkeit nie aufs Spiel. Wenn es die Bezeichnung „Independent Griot-Pop“ gäbe, dann würde sie hier zutreffen. Jürgen Spieß / Bild: Spieß

Habib Koité tritt am 24. November um 20.30 Uhr im Reutlinger franz.K auf.

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Erstellt:
22.11.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 22.11.2017, 01:00 Uhr

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