Der Kommentar

Immer und überall

10.05.2017

Von Andrea Bachmann

Der Mann trat in mein Leben, als mein Sohn im Kindergarten ein Singspiel einstudierte. „Die Vogelhochzeit“. Wir kauften eine CD, die fortan in Dauerschleife lief, Sohn und Tochter sangen sämtliche Texte auswendig und begeistert mit. Liebe, Lust und Schwangerschaft kindgerecht harmlos aufbereitet. Sehr süß. „Immer nur brüten, brüten, brüten ...“, klagte eine weichgespülte Vogelmamastimme. Ich war mit Zwillingen schwanger und konnte mich voll identifizieren.

Bei den Großen hatte ich noch versucht, die pränatale, musikalische Früherziehung mit Mozarts Klarinettenkonzert zu pushen. Jetzt gehörte der CD-Player ihnen – und Rolf Zuckowski.

Es gab auch noch andere. Fredrik Vahle, Gerhard Schöne, Lutz Görner, Hans Spielmann. Kinderliedermacher-innen gab es seltsamerweise nicht, fällt mir gerade auf.

Aber niemand war so besitzergreifend, so allumfassend wie Rolf Zuckowski.

„Januar, Februar, März, April, die Jahresuhr steht niemals still“ – und Rolf Zuckowski auch nicht. Ein Ohrwurm nach dem anderen kroch ins Kinderzimmer. Man konnte versuchen, diese Invasion mit Hilfe von Ritter Rost und ähnlich rockigen Kollegen aufzuhalten – stoppen konnte man sie nicht. Zum Geburtstag wurde nicht mehr „Viel Glück und viel Segen“ gesungen, sondern „Wie schön, dass du geboren bist.“ Alle Strophen. Dazu brauchte man zweimal Wunderkerzen. So richtig schlecht was das ja auch alles nicht. Nur eben sehr viel – immer und überall.

Dass ein Nachbarskind beim gemeinsames Adventsliedersingen nur ein einziges Weihnachtslied kannte, entbehrte nicht eines gewissen Gruselfaktors. Kein „Ihr Kinderlein kommet“, kein „Alle Jahre wieder“ mehr. Stattdessen „In der Weihnachtsbäckerei“. Na toll. Dank Rolf Zuckowski liegt das Jesuskind nicht mehr in der Krippe zwischen Ochs‘ und Esel, sondern auf dem Backblech zwischen Milch und Mehl.

Schon ein Phänomen. Das Phänomen wird diese Woche 70 Jahre alt. Zünden wir ruhig ein paar Wunderkerzen an: „Wie schön, dass du geboren bist!“ Wir hätten ihn vermutlich tatsächlich vermisst.

Kinderliedermacher

Rolf Zuckowski wird am Freitag 70 Jahre alt. Glückwunsch!

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Erstellt:
10.05.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 58sec
zuletzt aktualisiert: 10.05.2017, 01:00 Uhr

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