Punkrock im Turbogang

In der Band Turbostaat steckt mehr als nur tumbe Pogoseligkeit

Gitarren-Eruptionen und energischer Punkrock: 16 Jahre nach ihrer Gründung ist Turbostaat eine feste Größe in der deutschsprachigen Alternativrock-Szene. Am 20. April kommt die Husumer Band ins franz.K und stellt ihr aktuelles Album „Abalonia“ vor.

12.04.2017

Der inbrünstige Gesang, die knalligen Gitarrenriffs und die krude Bühnenshow von Turbostaat werden mit auf deutsch gesungenen Texten ergänzt, die sich kritisch mit den Verwerfungen des Kapitalismus auseinandersetzen. Bild: Spieß

Der inbrünstige Gesang, die knalligen Gitarrenriffs und die krude Bühnenshow von Turbostaat werden mit auf deutsch gesungenen Texten ergänzt, die sich kritisch mit den Verwerfungen des Kapitalismus auseinandersetzen. Bild: Spieß

Es ist diese Einfachheit, in der die Quintessenz des Rock‘n‘Roll steckt, das Auskristallisierte dessen, was mit Chuck Berry, Muddy Waters und Little Richard begann und mit 90er-Jahre-Bands wie Nirvana eine wichtige Neuerung fand. Und es ist die unbändige Kraft und Energie, die bei Turbostaat-Konzerten entsteht, was die Band auch im 16. Jahr ihres Bestehens, nach sechs Alben und einigen erfolgreichen Singles, zum Hit macht.

Diese Band zeigt alles, was geradlinigen Punkrock ausmacht und verkörpert doch eine ganz neue Generation des Genres. Der inbrünstige Gesang, die knalligen Gitarrenriffs und die krude Bühnenshow werden nämlich mit auf deutsch gesungenen Texten ergänzt, die die Verwerfungen des Kapitalismus als Gesamtbild beschreiben und sich kritisch mit der aktuellen Lage in unserem Land auseinandersetzen. In diesem Kontext entstand auch die Idee zu ihrem neuesten Konzeptalbum, das die fiktive Geschichte einer an den gesellschaftlichen Realitäten leidenden Frau erzählt, die ihr gewohntes Umfeld hinter sich lässt und sich auf die Suche nach dem Fantasieland Abalonia begibt.

Hymnischer Hardcore-Rock plus Punk-Gitarren – diese Mischung ist zwar nicht neu, jedoch die Art und Weise, wie ihn die fünf Flensburger Jungs von Turbostaat präsentieren. Ihre Konzerte sind einerseits Zeitreisen in die Punk- und Glamrockära der frühen 1980er Jahre und hin und wieder soll es bei früheren Konzerten auch kaputte Gitarren und ruinierte Verstärker gegeben haben. Andererseits ist da eine Band, die in ihrer handwerklich-musikalischen Qualität vor allem als Gruppenleistung besticht. Sänger Jan Windmeier, Rollo Santos (Gitarre), Marten Ebsen (Gitarre), Tobert Knopp (Bass) und Peter Carstens (Schlagzeug) überzeugen vor allem durch die atemlose Rotzigkeit der Breaks, wie man sie in dieser Musikgattung zwar häufig, aber selten so nach vorne drängend vorfindet.

Seit 1999 gibt es die Band Turbostaat schon, die mittlerweile zum Besten gehört, was härtere Rockmusik aus Deutschland zu bieten hat. Sie ging aus verschiedenen Punkbands wie Exil, Zack Ahi und Unabomber hervor und überspielte ihre ersten Demos ganz old-school-mäßig auf Kassetten, die sie an ihre Fans verteilten. 2001 erschien mit „Flamingo“ das erste Album und die Band wagte sich erstmals in Regionen außerhalb ihres Bundeslandes Schleswig-Holstein vor. Ihre Musik ist trotz aller Härte und Schnelligkeit von großer Fragilität. Eine Band gegen den Trend, die mit Vorliebe aufwühlenden Punkrock macht und mit ihren deutschen Texten auch einiges zu sagen hat. Entdeckt wurden sie übrigens von dem Reutlinger Beatsteaks-Drummer Thomas Götz, der die Band bei einem Konzert in Berlin erlebte. Einige Wochen später fanden sich die fünf Flensburger auf dem Berliner Label der Beatsteaks wieder.

Klar ist: Die britische Punkkultur mit all ihren Posen und ihrem Pomp, den näselnden Vocals und den kritischen Texten haben in den Songs Spuren hinterlassen. Ihre Instrumente bearbeitet Turbostaat jedoch ganz im Stil des Retro- und Glamrock. Die Riffs donnern rau und dreckig, der Sprechgesang von Jan Windmeier krächzt und der Bass des tatooübersäten Tobert Knopp wummert in harten Schlägen. Gleichzeitig erweist sich die Musik als eingängig. Das mag daran liegen, dass hinter den harschen Gitarrenriffs mehr steckt als nur tumbe Pogoseligkeit. Jürgen Spieß

Turbostaat spielen am
Donnerstag, 20. April, ab 20. 30 Uhr im Reutlinger franz.K.

Supportband: Ein gutes Pferd

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Erstellt:
12.04.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 39sec
zuletzt aktualisiert: 12.04.2017, 01:00 Uhr

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