Oft viel Phantasie dabei

In der neuen Ausstellung im Trachtenmuseum geht es um Werbung

Lange Zeit war es jedem ein Begriff: Das Rama-Mädchen mit Strohhut und Tracht. In der neuen Ausstellung des Württembergischen Trachtenmuseums Pfullingen „Mal anders beTRACHTet“ wird der Einsatz von volkstümlicher Kleidung in der Werbung näher beleuchtet.

16.08.2017

Museumsleiterin Dorothea Brenner mit einem schwarzem Hochzeitskleid aus der Dauerausstellung. Bilder: Böhm

Museumsleiterin Dorothea Brenner mit einem schwarzem Hochzeitskleid aus der Dauerausstellung. Bilder: Böhm

Pfullingen. Dorothea Brenner arbeitet seit 18 Jahren im Museum. Seit 15 Jahren leitet sie es ehrenamtlich. „Ich wuchs mit Trachten auf, weil sich bereits meine Mutter dafür interessiert hat“, sagt sie.

„Das Wort Tracht war im ländlichen Bereich ursprünglich das Synonym für die tägliche Kleidung der bäuerlichen Bevölkerung“, erläutert Brenner. 160 bis 180 Trachten sind ausgestellt, doch im Fundus schlummern noch zwei bis drei Mal so viel. Bei der Kleidung sei man flexibel und vor allem sparsam gewesen, denn die Realteilung, bei der alle Erben eine gleichgroße Fläche erhielten, sorgte für kleine Grund- und Ackerflächen. Man musste fleißig sein, um daraus seinen Broterwerb zu erwirtschaften.

„Wenn eine Frau ins Dorf ging, zog sie einfach schnell einen anderen Rock über den Hausrock an. Man dachte praktisch und warf auch nichts weg. Häufig wurden Sachen der Großmutter so lange aufgetragen, wie es ging.“ Lediglich bei Hochzeiten, Beerdigungen oder an Feiertagen wurde die Tracht aufwändiger und kostbarer, sofern man es sich leisten konnte. „Eine Bauersfrau hat maximal viermal im Jahr gewaschen, manchmal nur zweimal. Da musste die Alltagskleidung vor allem eins sein: robust.“ Wegen der vielen Arbeit in Haus und Hof sei nur im Januar und Februar überhaupt Zeit dazu gewesen, sich um die Kleidung zu kümmern und sie in Ordnung zu bringen.

Das Trachtenmuseum hat unter anderem die gesamte Kleidung aus dem Hausstand der 1916 in Bernstadt geborenen Katharina Bückle im Bestand. Darunter befindet sich auch ein seidenes Hochzeitskleid in Schwarz – der lange dafür üblichen Farbe. Aus der Gegend Rottenburg stammen kostbare Festhauben mit Brokatstickerei. Auch derbe Röcke aus Wollfilz, verziert mit einer Borte, sind zu sehen. „Die trug man damals im Winter im Haus und unter dem besseren Rock beim Ausgehen“, weiß die Fachfrau. Zu den Exponaten zählen auch Bilder. Eine Lithografie zeigt ein Pärchen in Betzinger Tracht, im Hintergrund die Achalm, die Marienkirche und ein Fabrikschlot – um 1870 war man stolz auf die Industrie und zeigte dies auch. Wandernde Künstler zogen umher und malten mit Vorliebe Genrebilder mit örtlichen Trachten, die anschließend gedruckt wurden. Auch eine österreichische Briefmarkenserie widmet sich den Trachten.

In der Werbung wird die Tracht als Werbebotschaft für Heimatliches, Regionales eingesetzt. Viele Biersorten werben mit Mädchen in weißer Bluse, mit Mieder, Haube, Rock, Schürze, weißen Strümpfen und schwarzen Schuhen. „Es ist oft viel Phantasie dabei“, erläutert Brenner. „Aber wichtig ist, dass die Tracht auf Bewährtes, Traditionelles eines Produkts hinweist.“ Auch zurzeit gebe es in einer Welt der Globalisierung und Digitalisierung wieder eine Strömung, die auf das Vertraute als Werbeträger setze. „Es spricht die Leute seit einiger Zeit verstärkt an.“

Der berühmte Bollenhut aus dem Schwarzwald wird aufgrund seiner Originalität häufig zu Werbezwecken genutzt, unter anderem für ein Autofedersystem mit dem Slogan „Alles unter einem Hut“. Der Bollenhut, so die Expertin, werde in Wirklichkeit nur in drei Orten getragen, gelte aber als Symbol für den ganzen Schwarzwald. Auf die Region setzt auch die Verpackung einer Weinflasche, die eine Männertracht aus dem Glottertal mit dem typischen Flachhut mit niederem „Gupf“ (oberem Teil) ziert. Die Firma Knorr wirbt mit dem „Käthchen aus Heilbronn“. Dorothea Brenner schmunzelt. „Das ist aber in Wirklichkeit eine stark vereinfachte Betzinger Tracht.“ Eine moderne Werbeagentur dagegen setzt Mädchen in Werktagstrachten als Werbeträger ein und wollte unbedingt Authentisches. Besonders das „Älblerhäs“ hat es dem Inhaber angetan. „Er ließ sich bei uns im Trachtenmuseum beraten und lieh auch die Kleidung für seine Fotos hier aus“, erzählt die Leiterin. Gabriele Böhm

Die Ausstellung „Mal anders beTRACHTet“ in der Baumannschen Mühle ist bis zum 22. Oktober zu sehen.

Trachtenmuseum, Mühlenmuseum und Museum für Stadtgeschichte sind von Mai bis Oktober, sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Führungen können ganzjährig mit der Stadtverwaltung Pfullingen vereinbart werden:

Telefon: 07121 / 7030 - 4101

Mit Tracht wird auch heute gerne geworben.

Mit Tracht wird auch heute gerne geworben.

Museumsleiterin Dorothea Brenner mit einem schwarzem Hochzeitskleid aus der Dauerausstellung. Bilder: Böhm

Museumsleiterin Dorothea Brenner mit einem schwarzem Hochzeitskleid aus der Dauerausstellung. Bilder: Böhm

Die Betzinger Tracht war schon immer sehr beliebt.

Die Betzinger Tracht war schon immer sehr beliebt.

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16.08.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 16.08.2017, 01:00 Uhr

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