Im Vorlauf raus

Jackie Baumann verpasst bei der Leichtathletik-EM ihr großes Ziel Zwischenlauf

Schon nach dem Vorlauf war Schluss: Jackie Baumann von der LAV Tübingen ist bei der Leichtathletik-EM in Amsterdam nicht zu ihrem Ziel gekommen. Die Hürdenläuferin hat aber keine Zeit für Enttäuschung: Olympia in Rio steht an.

13.07.2016

Von Moritz Hagemann

So optimistisch hatte sich Jackie Baumann noch vor ihrem Abflug nach Amsterdam geäußert. Die 56,19 Sekunden, ihre erst im Mai aufgestellte Bestzeit über die 400 Meter Hürden, sei noch nicht das Ende der Fahnenstange. „Ich traue mir schon noch mehr zu als die 56,19“, sagte sie im TAGBLATT-Interview. In Amsterdam hätte diese Zeit im Finale sogar zu Platz sechs gereicht, ihren Vorlauf hätte die 20-Jährige damit sogar gewonnen. Doch sie lief in den Niederlanden eben nur 58,17 Sekunden. „Die EM als erstes Großerlebnis war schon anstrengend für den Kopf“, sagte Baumann hinterher. Sie müsse den Lauf erst analysieren, wusste aber gleich: „Irgendetwas ist schief gelaufen!“

Beim bisher größten Wettkampf ihrer Karriere erwischte die Tochter von Olympiasieger Dieter Baumann einen guten Start und lief vorne mit. Doch auf der zweiten Streckenhälfte, auf der Baumann normalerweise ihre Stärken ausspielt, verlor sie ihren Rhythmus. Und den möglichen Einzug in den Zwischenlauf – das war das erklärte Hauptziel. „Fürs Finale müsste alles passen“, hatte Baumann schon vor dem Vorlauf gesagt. Danach wusste sie: „Es ist ein Mega-Erlebnis. Ich muss einfach lernen, ein bisschen entspannter zu werden und versuchen, mich auf mich zu konzentrieren und nicht das ganze Drumherum zu sehen.“

Nun fährt Baumann erst einmal ins Trainingslager. Denn das nächste, wohl noch größere Highlight steht bevor: die Olympischen Spiele in der Weltmetropole Rio de Janeiro Mitte August. Die Form zu konservieren, „das schafft man nicht, da ist ja schon Zeit dazwischen. Ich werde nochmal runterfahren, auch die Basics trainieren“, sagte Baumann.

In Brasilien werden die Blicke dann besonders auf Baumann gehen. Schließlich war der Vater 1992 in Barcelona Olympiasieger. Jackie Baumann stört das nicht: „Ich stehe schon genug im Mittelpunkt. Es ist normal, dass auch über meinen Vater berichtet wird, und das ist in Ordnung, es ist ja schließlich die Familie. Und ich habe die letzten beiden Jahre genug getan, dass ich die Aufmerksamkeit und Akzeptanz auch bekomme.“

Obwohl die EM zunächst ihr großes Saisonziel war, dürfte nun Rio nach der Enttäuschung von Amsterdam nochmals an Priorität gewinnen. „Ich hatte Olympia nie im Fokus“, sagte Baumann, „die EM war immer unser großes Saisonziel, deshalb habe ich mich voll darauf ausgerichtet.“ Nach ihrem Lauf in Amsterdam wusste die 20-Jährige auch: „Ich habe dieses Jahr ja noch eine Chance.“ Und außerdem ist sie noch so jung, dass in ihrer Karriere sicherlich noch viele solcher Chancen folgen werden. „Ich glaube“, sagte Baumann in Amsterdam, „deshalb bin ich auch hier, um so etwas zu lernen.“

Die gebürtige Ulmerin studiert in Tübingen Geschichte und Sportwissenschaft, will eines Tages am Gymnasium unterrichten. 2015 wurde Baumann zum ersten Mal deutsche Meisterin über 400 Meter Hürden und wiederholte den Triumph bei den Bundeswettkämpfen in diesem Jahr. Im belgischen Oordegem lief sie Ende Mai mit ihren 56,19 Sekunden die Norm für Rio. Auch auf internationaler Ebene war sie bereits erfolgreich: Bei der U20-Weltmeisterschaft 2014 kam sie ins Halbfinale, bei der U23-Europameisterschaft im Jahr 2015 wurde sie Achte.

Nun läuft die Vorbereitung auf Olympia – auch im Kopf. Die EM in Amsterdam könnte, auch wenn es mal das große Saisonziel war, ein Testlauf gewesen sein. Doch eines ist gewiss: In Rio ist alles nochmal viel größer.

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13.07.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 13.07.2016, 01:00 Uhr

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