Eher ein Künstler

Johannes Schweikle hat einen Roman über den Laufraderfinder Karl von Drais geschrieben

Karl von Drais hat die Welt verändert. Am 12. Juni 1817 unternahm er in Mannheim die erste Fahrt mit seinem selbst erfundenen Laufrad.

12.07.2017

Von Andrea Bachmann

Johannes Schweikle hat eine Romanbiografie über den Erfinder des Laufrads, Karl von Drais, geschriebenBild: Thomas Müller

Johannes Schweikle hat eine Romanbiografie über den Erfinder des Laufrads, Karl von Drais, geschriebenBild: Thomas Müller

Mit dem Fahrrad fahren kennt sich der Tübinger Journalist und Autor Johannes Schweikle ebenso gut aus wie mit verschrobenen Erfindern und mit Württemberg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Er hat nicht nur mit „Ausreißversuch“ ein Buch über den Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich geschrieben, sondern er fährt auch selber Rennrad, zum Beispiel den 220 Kilometer langen Bodenseemarathon. Die Abfahrt durch die weite Landschaft vom legendären Mont Ventoux herunter gehört zu seinen schönsten Radelerlebnissen.

Mit „Fallwind“ hat Schweikle ein einfühlsames Porträt über den Schneider von Ulm verfasst, der 1811 mit seinem Gleitschirmflieger in der Donau landete. Pünktlich zum 200. Geburtstag des Fahrrades ist eine neue Romanbiographie erschienen: „Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais“.

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Die Geschichte von Karl Drais und seiner revolutionären Erfindung erzählt sein Gefährte und Freund Fritz als sehr alter Mann. Gab es Fritz tatsächlich?

Johannes Schweikle: Nein, den habe ich erfunden. Wie der Schneider Berblinger lebte auch Karl Drais am Ende in tristen und prekären Verhältnissen. Ich wollte aber auch die Erfolgsgeschichte des Fahrrads erzählen und habe deshalb den Fritz erfunden, der dieses positive Ende der Geschichte noch erlebt hat und darüber berichten kann. Außerdem hat mir gefallen, Karl von Drais, der durchaus etwas von einem Don Quijote an sich hat, auch einen Sancho Pansa an die Seite zu stellen. Einen, der mit den Beinen etwas fester auf dem Boden steht.

Ich habe lange überlegt, welche literarische Form die Geschichte bekommen soll. Sie aus der Perspektive eines Freundes und Zeitgenossen zu erzählen, erschien mir schließlich am passendsten.

Karl von Drais ist ein wunderbar naiver Idealist ...

Ja, er hatte keine besondere Begabung für den Alltag! Er war von seiner Erfindung so überzeugt, dass er sie mit der ganzen Welt teilen wollte, und er hoffte, man werde ihm freiwillig die erbetene Lizenzgebühr zahlen. Das hat natürlich niemand gemacht. Fritz wird im Roman dann dafür sorgen, dass auf der Planskizze, die Drais von seiner Laufmaschine veröffentlicht, die Beine des Radfahrers ein wichtiges technisches Detail verdecken. Karl von Drais war viel eher ein Künstler als ein Ingenieur, er hatte da auch keinerlei Ausbildung, seine Erfindung entspringt vor allem seiner Intuition und seiner Fantasie. Dabei fällt aber auf, dass die Größe der Räder schon damals dem entsprach, was man heute noch immer als optimal empfindet. Sie hatten einen Durchmesser von etwa 27 Zoll.

Was fasziniert Sie an diesen Erfindern wie Drais oder Berblinger?

Ich glaube, das hat etwas mit meinem Gerechtigkeitsempfinden zu tun. Die beiden waren sehr mutige Menschen, die sich weit vorgewagt und dann ihr Geld und ihre bürgerliche Reputation verspielt haben. Denen wollte ich Genugtuung verschaffen und habe zu einer Art literarischen Ehrenrettung angesetzt. Das war auch mein Motiv bei dem Roman „Ausreißversuch“. Ich habe Jan Ullrich als Journalist mehrmals erlebt und dann zugesehen, wie er die ganzen Prügel abbekam und alle anderen munter weiter geschluckt und gespritzt haben. Ich habe mal Theologie studiert. Als Theologe bewegt mich die Frage nach Gerechtigkeit. Und mit Heuchelei kenne ich mich aus.

Ist „Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais“ wirklich so passiert, wie Sie sie beschrieben haben?

In erster Linie wollte ich einen Roman schreiben, eine Geschichte erzählen, die unterhält und mitreißt, und kein Sachbuch. Dann wollte ich auch keinen historischen Roman schreiben, der primär schildert, wie die Verhältnisse damals gewesen sind, sondern vielmehr Kontinuitäten zu heute aufzeigen. Gerade in der napoleonischen Zeit hat sich das Leben mit einer unglaublichen Dynamik verändert, das reicht bis ins Heute hinein. Aber natürlich habe ich erst mal viel recherchiert und gelesen. Dieses Sammeln ist schon spannend, es macht Spaß, in historischem Material zu wühlen, Museen und Ausstellungen zu besuchen. Es gibt zum Beispiel in Germersheim ein Straßenmuseum. Da habe ich unter anderem gelernt, seit wann es Asphaltstraßen gibt. Meine Lektorin und ein Professor für Geschichte, mit dem ich befreundet bin, haben außerdem aufgepasst, dass historisch alles stimmig ist.

Was hat Ihnen besonders an dem Herrn von Drais gefallen?

Sein Optimismus! Und was mich darüber hinaus fasziniert hat, war dieses Motiv der Bewegung. Ich finde es spannend, wenn sich Menschen in Bewegung setzen, man erfährt dann viel mehr über sie, als wenn sie sitzen bleiben.

Andrea Bachmann

Das Buch von Johannes Schweikle „Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais“ ist im Klöpfer- und Meyer-Verlag Tübingen erschienen.

Johannes Schweikle hat einen Roman über den Laufraderfinder Karl von Drais geschrieben

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Erstellt:
12.07.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 12.07.2017, 01:00 Uhr

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