Michael Kohlhaas

Michael Kohlhaas

Verfilmung von Kleists Erzählung um einen betrogenen Pferdehändler (Mads Mikkelsen), der gegen die Herrschenden aufbegehrt.

02.09.2013

Von Peter Ertle

Dieser Film könnte als schweigsamer Western durchgehen. Oder als erhabenes Ritterspiel. Er hat allerdings auch eine sehr reduzierte, feine Ästhetik, die ihn halbwegs in die Tradition des Autorenkinos stellt. Was Kostüme, Landschaftsüberwältigung, schöne Hauptfiguren und an altmeisterliche Gemälde erinnernde Inventare angeht, hat er durchaus auch wieder etwas sehr prallkinohaft-Populäres.

Auch von der Zeit und dem Ort, in und an dem er spielt, ist dieser Kohlhaas nicht einzuordnen. Nur die nordostdeutsche Mittelaltergegend ist es gewiss nicht. Der Drehort, die Karstlandschaft der Cevennen, verlagert die Szenerie in denkbar unterschiedliche Regionen, die vor allem eines sein müssen: rau und schön. Die Kostüme sind aus unterschiedlichen Zeiten potpourriert, ihr Signum lautet: Europa, historisch.

Bei Kleist ist Kohlhaas ein Sprach- und Dialogspektakel ohnegleichen. Arnaud des Pallières setzt auf die Stärken seines Mediums und macht ein Schauspektakel daraus, bei dem die action vor allem in bewegtem Schweigen, in Großaufnahmen auf die Gesichter (und die gottgleiche Indifferenz der Landschaft) entsteht. Unbewegt-undurchdringliche Gesichter zumeist. Mads Mikkelsen agiert mit dem Edelmut eines blondweißhaarigen Winnetous oder dem göttlichen Zorn eines Jesus in einem Bibelepos, ein Held von Beginn an. Wer sich einen kleinen, einfachen Pferdehändler und viel Realismus erwartet, muss diesen Film hassen, dessen elementare Archaik und Reduktionspathos einen manchmal fast erdrücken, weil sie eben nicht wirklich roh, sondern wie gemalt, dick aufgetragen und ziemlich selbstverliebt sind.

Aber bisweilen ist das eben auch verdammt gut: dann wird man reingezogen in diesen bösen, schönglänzenden Traum, dieses Märchen, diesen europäischen Western, dann gerät man ins Schwärmen über so viel Auge und Ohr für die Landschaft, die einem nicht gleich wieder zugequasselt wird, über so viel Blick für Schrecken und Schönheit.

Weil Schönheit ohne Frauen und ein guter Film ohne Liebe und Erotik nicht zu haben ist, gibt es tiefe Blicke und Sex zwischen Kohlhaas und seiner Frau, desweiteren wird aus einer Männerfigur eine Prinzessin, die nicht ohne leicht erschauerndes Wohlgefallen auf den nackten Helden blickt. Und eine Tochter bekommt Kohlhaas auch noch an die Seite. Sie macht sein Schicksal noch herzergreifender.

Der Film endet mit einer einzigartigen Studie: Wie zeigt man minutenlang eine sich anbahnende Hinrichtung, indem man sie praktisch nicht zeigt. Und auch dafür gilt, wie für den gesamten Film: Wow! Und letztlich in Schönheit gestorben. Manchmal stirbt man eben gerne mit, im Kino, zumal mit Schauspielern wie Frauenschwarm Mads Mikkelsen, Bruno Ganz oder Delphine Chuillot. Kleist? Ist was anderes.

Viel Schweigen, archaische Bilder, Theatralik und Reduziertheit gleichermaßen.

Michael Kohlhaas