Nymphomaniac 1

Nymphomaniac 1

Erster Teil von Lars von Triers Drama um eine Frau, die einem älteren Herrn ihr Leben als Sexsüchtige beichtet.

28.12.2013

Von tol / swp

Kurzkritik: Lars von Triers "Nymphomaniac" gibt es im regulären Kinoprogramm nur in einer entschärften Version und davon zunächst nur die erste Hälfte (Teil zwei folgt Anfang April). Aber auch ohne die explizitesten der expliziten Sexszenen bietet der Film eine Menge. Aus der Lebensbeichte, die eine in der Gosse gelandete Sexsüchtige (Charlotte Gainsbourg) vor einem verständnisvollen älteren Herrn (Stellan Skarsgard) ablegt, destilliert der dänische Regie-Virtuose eine höchst unterhaltsame Revue der sexuellen Himmelsstürme und Höllentrips, in der neben der Pornografie auch Philosophie und Psychoanalyse nicht zu kurz kommen. Souverän jongliert von Trier mit Stimmungen und Genres, springt vom frivolen Lust-Spiel zur Familientragödie, vom aufgekratzten Schulmädchen-Report zur tragikomischen Parodie eines Ehedramas - mit Uma Thurman in einem der brillantesten Kurzauftritte der Filmgeschichte. (che)

Langkritik: Ein Hinterhof. Erst tropft der Regen, dann drischt Rammstein los. Eine blutende Frau liegt am Boden. Opfer eines Überfalls? Ein älterer Mann nimmt sie bei sich auf. Sie erzählt ihm ihre ganze Geschichte. Die sei "lang und unmoralisch". Diese Geschichte ist "Nymphomaniac", Lars von Triers neuer Film. Auf der Berlinale feierte gestern freilich nur der erste Teil Weltpremiere - auch wenn der in dieser "unzensierten" Fassung schon zweieinhalb Stunden dauert.

Eine Nymphomanin als Hauptfigur? Von Trier erzählt nichts von Blüten und Bienen, dafür aber von Bäumen und Blättern - und von Geschlechtsorganen. Etliche Szenen sind pornografisch, aber die Geschichte fordert das ein. Wie wohl die beschnittene Kinofassung aussehen wird?

Joe (Charlotte Gainsbourg) schildert ihrem philosophisch geschulten Zuhörer (Stellan Skarsgård) also ihre Sex-Biografie. Schuldfragen? "Mea vulva, mea maxima vulva", singt ein Mädchenchor. Und die Liebe? Sei nur Lust gepaart mit Eifersucht. Naja, vorerst.

Manchmal wirkt "Nymphomaniac" wie die Parodie auf einen Lars-von-Trier-Film, aber der Däne reflektiert die Erwartungshaltung an ihn als bösen Buben des Autorenkinos. Er schwelgt in banalen, aber auch originellen Metaphern und Bildern: Auf die Analogie von Sex und Fliegenfischen muss man erstmal kommen. Genial genital.

Einen Sex-Jux will er sich machen? Nein, das Thema nimmt von Trier ernst - so abseitig lustig vieles ist, so gibt es doch bittere, auch zarte Episoden. Na, klar: das ganze Elend der menschlichen Existenz. Und mittendrin Stars, die sich bemerkenswert ausliefern. Stacy Martin, die junge Joe, ist ein Ereignis.

Ist von Trier ein kaputter Moralist oder ein größenwahnsinniger Sehrspätpubertierender? Er ist ein Kinoextremist, der sich austobt, doch zugleich analysiert. Komplett könnte "Nymphomaniac" ein Meisterwerk werden. Der unvermittelt abbrechende erste Teil ist zumindest schon mal ziemlich befriedigend. (Magdi Aboul-Kheir)

Nymphomaniac 1