Philomena

Philomena

In den fünfziger Jahren wird einer jungen Frau ihr Neugeborenes weggenommen. 50 Jahre später macht sie sich auf die Suche.

17.01.2014

Von Dorothee Hermann

Manchmal reicht der eigene Schmerz nicht aus, und es braucht einen Profi, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Für die bald 70-jährige Philomena (Judi Dench) ist das der arrogante Journalist Martin (Steve Coogan), der sich während eines Karriereknicks widerwillig dazu bereitfindet, der pensionierten Krankenschwester bei der Suche nach ihrem Sohn zu helfen. Den hatten irische Nonnen der damals 17-Jährigen weggenommen und zur Adoption freigegeben.

Regisseur Stephen Frears („Die Queen?) geht es nicht in erster Linie darum, ein weiteres Skandalfeld der katholischen Kirche aufzudecken. Das hat bereits Peter Mullan („The Magdalene Sisters?) übernommen. Frears kann sich darauf konzentrieren, aus den so gegensätzlichen Charakteren Funken zu schlagen. Für die bodenständige Philomena, immer noch gläubig, aber keineswegs beschränkt, und den abgeklärten Martin bietet die Suche nach dem verlorenen Sohn, die sich zu einem Amerika-Trip auswächst, jede Menge Gelegenheiten, um einander den Spiegel vorzuhalten und typisch britische Klassengegensätze auszuagieren. Der Schlagabtausch wird so dynamisch, dass sogar eine tragische Nachricht nur mit Verzögerung durchsickert.

Dass die Situationskomik stets in einem realen Verlust fundiert scheint, ist das Verdienst von Judi Dench, der die Rolle eine Oscar-Nominierung eintrug. Das Geflecht aus Selbstvorwürfen, Schuld und schier übermenschlicher Vergebungsbereitschaft hebt sich umso stärker ab von ihrem nüchternen bis zynischen Widerpart Steve Coogan („The Look of Love?). Durch Rückblenden auf das Irland der fünfziger Jahre und Home-Video-Sequenzen steigert der Film seine quasi-dokumentarische wie emotionale Intensität. Nicht zuletzt ist er eine deutliche Absage an die vermeintlich gute alte Zeit.

Tiefgläubige alte Dame und abgebrühter Journalist brillieren als Team wider Willen.

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