An die Helden der Sechziger

The Neros spielen am Freitag bei der Schlosscafé-Abschiedsparty

Sie machen Rock‘n‘Roll aus einer Zeit, als ein Pilzkopf nicht nur ein Haarschnitt war, sondern eine Revolution: Die Tübinger Surf-Punk-Band The Neros gibt es seit elf Jahren. Nun haben sie ihr drittes Album veröffentlicht.

20.07.2016

Von Jürgen Spieß

The Neros spielen am Freitag bei der Schlosscafé-Abschiedsparty

Ein Sänger und Organist, der sein Organ und die Farsisa-Orgel nostalgisch röhren lässt. Ein Gitarrist, der sein Instrument gerne etwas tiefer hängt und richtig cool dabei aussieht. Ein Bassist, der sich dumpf dröhnend zum Groove vorarbeitet. Und ein Schlagzeuger, der sich voller Enthusiasmus an den Grundlagen effektvoller Hardcore-Fills erfreut.

Die Ingredienzen des Sixties-Garage-Cocktails stimmen und werden auf der aktuellen Scheibe der Tübinger Band The Neros erfreulich lässig verrührt. Die Gruppe, die sich anfänglich nach dem italienischen Spaghetti-Western-Schauspieler Franco Nero benannt hat, ist eine mittlerweile auf vier Musiker geschrumpfte Band, die sich vor elf Jahren im Tübinger Blauen Salon gefunden hat, um so authentisch wie möglich dem guten, alten US-Garage-Rock‘n‘Roll zu frönen. Dabei lassen sie sich gerne von der eher obskuren Seite der 60er-Jahre inspirieren, „wildern mit einer fiesen Farfisa-Orgel bewaffnet im dichten Garage-, Beat- und Psychedelic-Unterholz und klingen dabei nie nach morschem Oldie-Herbst oder wurmstichiger Nostalgie“, so die treffsichere Selbstbeschreibung.

The Neros, das sind der Sänger und Organist Frank Allmendinger, der vielen noch als treibende Kraft der legendären Red-Room-Jamsessions in der damaligen Studentenkneipe Kellerassel bekannt sein dürfte. Die E-Klampfe bearbeitet der Ex-Vibrosonics-Gitarrist Alexander Gonschior, Björn Bludau zupft seit gut einem Jahr den E-Bass und Schlagzeuger Frank Honold bringt den Rock‘n‘Roll mit seinen harten Schlägen auf den Punkt. Unter dem alten Bandnamen Los Franco Neros hat die Gruppe bereits die beiden Alben „Planet of the Apes“ (2006) und „Playa de Los Muertos“ (2010) eingespielt, die aktuelle CD wurde im vergangenen Jahr im Tübinger Milchwerk Studio aufgenommen und von Fabian Schaller produziert. Während die ersten beiden CDs ausschließlich eigene Songs enthielten, ist das aktuelle Album ein Tribut an die vergessenen Helden der Sechziger.

Das Interessante am frühen Garage-Rock‘n‘Roll der 60er-Jahre ist ja, dass er heutzutage noch die Möglichkeit bietet, der industriell fabrizierten Massenkultur zu entkommen. Das gelingt der Band mit ihrer Musik ausgezeichnet: Das Album vereint sieben Songs, deren Struktur so klar und einfach wie möglich gehalten ist. Dabei geht die energetische Musik unerbittlich in eine Richtung: immer nach vorne, ohne aufgeblasenen Sound, ohne langatmige Solotechniken. Songs, die, ob als Abgehnummer oder im lässigen Sixties-Beat, ganz dem Zusammenspiel von Rhythmus und Gesang verpflichtet sind. Songs, die auf eingängige Weise gute Laune versprühen.

The Neros gelingt es, dieses besondere, trancehaft verzückende Gefühl echter Rockdröhnung zu vermitteln. Nicht umsonst wurden sie 2010 über einen Kulturaustausch mit Tübingens russischer Partnerstadt nach Petrosawodsk eingeladen, um vor 20 000 Rockfans zu spielen. Zwar wurde das Festival eine Woche vor dem Termin verboten und abgesagt, davon ließen sich The Neros aber nicht abhalten: Sie flogen trotzdem hin und gaben stattdessen ein kleines Clubkonzert vor 20 Leuten und kamen mit einem Auftritt im TV-Studio immerhin ins russische Fernsehen.

The Neros haben ein gutes Gespür für Dynamik und bringen den Rock‘n‘Roll zwischen 60-er-Surf-Safaris und ausgeflippter Beat-Herrlichkeit auf den Punkt. Genau dieser Retro-Rock mit Flegel-Faktor war schon vor einem Jahrzehnt die Stärke von The Neros. Daran hat sich nichts geändert. Gut so.

Am Freitag, 22. Juli, 21 Uhr spielen The Neros bei der Abschiedsparty des SchlossCafés in der Tübinger Burgsteige. Der Eintritt ist frei.

Unter www.franco-nero.com und im Blauen Salon kann man die neue CD erstehen.

Zum Artikel

Erstellt:
20.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 20.07.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen