Kein Eid auf Hitler

Theodor Roller wollte Gott mehr gehorchen

22.02.2017

„Als Christ nenne ich Sie einen Lügner“, schrieb Theodor Roller in einem Brief an Hitler. Archivbild: Metz

Als Christ nenne ich Sie einen Lügner“, schrieb Theodor Roller in einem Brief an Hitler. Archivbild: Metz

Theodor Roller ist am 22. Februar 1915 in Zuffenhausen geboren und am 30. Oktober 2008 in Tübingen gestorben. Dort hat er auch den größten Teil seines Lebens verbracht. Nur etwa fünf Jahre war er fort. In dem ehemaligen Prämon-stratenserkloster Weissenau in Oberschwaben. Dort war er zwischen 1940 und 1945 und die Weissenau war zu dieser Zeit eine psychiatrische Heil- und Pflegeanstalt. Er lebte dort, weil er einen Brief an Adolf Hitler geschrieben hatte.

Roller wächst in der Hafengasse auf, in der seine Mutter und seine Großmutter ein kleines Möbelgeschäft betrieben und wird Buchhalter bei der Kreissparkasse. Als Kind geht er in pietistische Stunden und zum CVJM. Mit 15 engagiert er sich in der Hitlerjugend. Ihm gefällt das „positive Christentum“ der NSDAP. „Nicht nur fromme Sprüche, sondern auch fromme Taten“ - darauf kommt es ihm an. Aber fünf Jahre später tritt er aus der HJ wieder aus. Das Bekenntnis zum Staat bedeutet für den frommen jungen Mann nicht die Anerkennung jeder Oberhoheit Hitlers. Als er 1937 zum Militärdienst eingezogen wird, weigert er sich, den Fahneneid auf den Führer abzulegen.

Roller ist nicht gegen den Nationalsozialismus. Die von der Wirtschaftskrise gebeutelten Kaufleute waren durchaus bereit, es einmal „mit dem Hitler zu probieren“ und Roller würde sein deutsches Vaterland gerne und ohne zu zögern mit der Waffe in der Hand verteidigen. Aber dass er dem „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler mehr Gehorsam schulden soll als Gott – das ist für ihn vollkommen unmöglich.

Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ein guter Christ und ein aufrechter Deutscher zu sein in einer Gesellschaft, in der beides gleichzeitig nicht mehr möglich zu sein scheint, entscheidet sich der 19-Jährige für Gott. Am 25. Januar 1939 schreibt er den Brief an Hitler: „Als Christ nenne ich Sie einen Lügner und als Deutscher den größten Volksschädling, der je deutschen Boden betrat.“ Die Gestapo holt ihn direkt aus der Kreissparkasse und steckt ihn ins Gefängnis. Nach einem halben Jahr Haft kommt Roller nach Tübingen in die Nervenklinik. Dort soll festgestellt werden, dass jemand, der sich weigert, einen Eid auf Hitler zu leisten, verrückt sein muss. Der zuständige Psychiater kann allerdings nicht erkennen, „dass eine geistige Störung vorliegt“. Theodor Roller gilt als psychisch gesunder junger Mann, als ihm vor einem Sondergericht der Prozess gemacht wird. Das Urteil ist sofort rechtskräftig: Theodor Roller ist wegen „verschrobener religiöser Gedanken“ unzurechnungsfähig und soll in die Psychiatrie eingewiesen werden. Das war eine Möglichkeit, jemanden dauerhaft „unschädlich“ zu machen – Roller hätte auch in den Gaskammern von Grafeneck enden können.

Roller kommt auf die Weissenau am Bodensee und arbeitet dort zunächst in der Gärtnerei, dann in der Küchenverwaltung. Die Arbeit ist für ihn ein Überlebensmittel. An Flucht denkt er nicht: „Ich wollte meinen Standpunkt behaupten, flüchten wollte ich nicht. Dann hätte ich schon 1935 auswandern müssen, als ich aus der HJ ausgetreten bin.“

Ganz schlecht ist es ihm nicht gegangen. Er schreibt Gedichte und spielt Mundharmonika, pflegt fast freundschaftliche Beziehungen zu einigen Kollegen, wird von seiner Mutter mit Fresspaketen unterstützt und hat kleine Freiheiten. Aber frei ist er nicht. Deshalb reicht er immer wieder Gesuche um seine Entlassung ein, die allesamt abgelehnt werden. Wegen seiner offenen Kritik an den religiösen Anmaßungen des Nationalsozialismus gilt Roller als „seltsamer, verschrobener und schwer einfühlbarer Eigenbrötler“. Und weil der bodenständige und soziale junge Mann sich nicht zu schade ist, im Dorf beim Leeren der Abortgruben zu helfen, bescheinigt ihm der Anstaltsarzt eine „beginnende schizophrene Wesensänderung mit gemütlicher Abstumpfung“. Wenigstens bewahrt sein Fleiß ihn vor dem KZ.

Als am 28. April 1945 die Franzosen auf der Weissenau einmarschieren, könnte Roller eigentlich sein Bündel nehmen und gehen. Aber er bleibt. Den Vorwurf, verrückt zu sein, will er nicht auf sich sitzen lassen. Deshalb wartet er vier Monate auf seine förmliche Entlassung und lässt sich anschließend in die Tübinger Psychiatrie einweisen und neu begutachten. Unter „schweren seelischen Konflikten“ würde er sicherlich leiden – aber Dr. Ederle sieht „weder damals noch heute Anhaltspunkte für eine Geisteskrankheit“.

Roller kehrt ins Leben zurück. Er arbeitet als Stiftskirchenmesner und als Vertreter für alles Mögliche, bis er wieder eine Stelle als Buchhalter findet, die er bis zur Rente ausübt. Er heiratet und bekommt drei Kinder. Erst 1951 wird das Urteil des Sondergerichts aufgehoben. Andrea Bachmann

Die ganze Geschichte kann man in dem Buch „Als Christ nenne ich Sie einen Lügner – Theodor Rollers Aufbegehren gegen Hitler“ von Hans-Joachim Lang nachlesen, der sie aus Aktenmaterial, Gesprächen mit Theodor Roller und dessen Briefen an seine Mutter rekonstruiert hat.

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22.02.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 22.02.2017, 01:00 Uhr

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