Eine heiße Sache

Thorsten Buss macht Kaffee zum Genussmittel

Kaffee dürfte zu den am meisten missbrauchten Lebensmitteln gehören. Der Dußlinger Thorsten Buss erklärt, wie aus dem Pappbecher-Getränk der deutschen Stresszonen ein aromatischer, fruchtiger Genuss werden kann.

03.08.2016

Thorsten Buss macht Kaffee zum Genussmittel

Fred Keicher: Drei Kaffeelöffel in den Filter, dreimal aufgießen, zuerst mit kochendem, zuletzt mit lauwarmem Wasser. Das ergibt eine Kanne Kaffee, die ich im Laufe des Vormittags austrinke. Kann ich eigentlich noch etwas falsch machen?

Thorsten Buss: Dieser Kaffee hat immerhin Koffein. Was für manche ja ausschlaggebend ist. Sie vergessen allerdings, dass die aufputschende Wirkung von Koffein bei Überdosierung ins Gegenteil umschlägt. Falsch machen kann man beim Kaffeekochen viel. Entscheidend ist der Mahlgrad des Kaffeepulvers, daraus ergibt sich die optimale Extraktionszeit. Schlechter Kaffee ist entweder unter- oder überextrahiert.

Was ist optimal?

Die optimale Menge sind 60 Gramm pro Liter, am besten frisch gemahlen. Die Wassertemperatur sollte bei 92 bis 96 Grad Celsius liegen. Das Wasser sollte man nach dem Kochen eine Minute lang stehen lassen. Aber Vorsicht: Unter 90 Grad lösen sich keine Öle mehr aus dem Kaffee. Wenn das Wasser aber zu heiß ist, töten Sie die Struktur. Je nach Temperatur erreicht man ein anderes Ergebnis. Beim Gebrauch eines Handfilters sollte man das Kaffeepulver mit einem kleinen Guss heißen Wassers erst aufquellen lassen, danach schwallweise aufgießen.

Aber geht es nicht auch mit kaltem Wasser?

Am einfachsten gelingt Cold Brew in einer Stempelkanne. Da gibt man kaltes Wasser zum Kaffeepulver und stellt es 16 bis 20 Stunden in den Kühlschrank. Schmeckt hervorragend – auch mit Limonade. Beim Cold Drip wird das kalte Wasser tröpfchenweise auf das Kaffeemehl gegeben. Nach 20 bis 30 Stunden erhält man ein Tässchen Kaffee. Der ist sehr aromatisch, hat aber ein ganz anderes Aromaprofil. Koffein ist ja eh drin. Aber bei gutem Kaffee spielt das Koffein nicht die Hauptrolle, sondern wichtig sind die Aromen – immerhin rund 800 verschiedene.

Woher kommen die Aromen?

Durch das Rösten, aber auch die Bohnen müssen gut sein. Selbstverständlich spielt die Herkunft eine Rolle. Kaffees aus Äthiopien sind je nach Röstung eher fruchtig und floral, die aus Lateinamerika eher nussig mit Mandelnote. Ich bevorzuge sortenreine Kaffees. Das ist wie beim Wein: Ein Trollinger ist kein Chardonnay. Ein Single Origin Kaffee aus Afrika nimmt mich mit auf eine afrikanische Reise.

Gibt es einen idealen Kaffee?

Nein. Jeder hat ein Recht auf sein eigenes Geschmacksempfinden. Wichtig ist das Ergebnis. Auf dem Weg dahin kann man viele Fehler machen. Das fängt beim Anbau an und endet damit, dass ich den Kaffee in eine nicht angewärmte Tasse gieße. Der Temperatursturz ruiniert ihn.

Hilft Milch und Zucker gegen Unverträglichkeit?

Das beste Mittel dagegen ist die langsame schonende Röstung. Dabei wird die Chlorogensäure abgebaut. Das ist bei den meisten Industrie-Kaffees nicht der Fall, die werden kurz und heftig geröstet in 1,5 bis 8 Minuten. Im Trommelröstverfahren maximal bei circa 200 Grad Celsius, bei Espresso vielleicht auch 210 Grad. Damit verhindert man auch das Entstehen des gefährlichen Acrylamids. Industriekaffee enthält oft ein Vielfaches daran. So wie man zum Fleischer seines Vertrauens geht, sollte man auch zum Röster seines Vertrauens gehen. Unverträglichkeit hat mit der Herstellung zu tun, nicht mit dem Kaffee an sich.

Milch ist natürlich die Basis von vielen Spezialitäten: Latte machiato, Flat White oder Cappuccino. Man muss aber wissen, dass beim Erhitzen der Milch über 70 Grad Celsius der Milchzucker zerstört wird, also höchstens auf 65 Grad erhitzen. In guten Cafés bekommt man gar keinen Zucker gereicht.

Interview von Fred Keicher / Bild: Stefan Klein / kleinARTig Fotografie

Das Rösten von Kaffee hat sich der Dußlinger Thorsten Buss, 40, selbst beigebracht. Erste Versuche in einem Popkorntopf über einem Campingkocher brachten gute Ergebnisse. Dann hat er sich eine Miniröstmaschine angeschaft, die 300 Gramm Kaffee Kapazität hatte. Buss hat zehn Jahre als Kabinenchef einer deutschen Fluglinie gearbeitet. 2013 begann er eine Ausbildung an der Münchener Barista-Schule. Danach bauten er und seine Frau Dorothee nebenberuflich „Beans on Fire“ auf. In nächster Zeit solll der Sprung in den Hauptberuf erfolgen. Buss liefert Kaffee, auch individuell zusammengestellt, berät, schult Mitarbeiter und fährt mit seiner mobilen Kaffeebar zu Events aller Art.

www.beansonfire.de

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Erstellt:
03.08.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 03.08.2016, 01:00 Uhr

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