Das Wasser ist besser
Trotzdem wird vor dem Baden im Neckar gewarnt
Die Baptisten taufen ihre Gemeindemitglieder im Neckar, der Tübinger Triathlon hält den Schwimmwettkampf darin ab. Wie steht es eigentlich um die Wasserqualität des Neckars?
„Der Neckar ist kein Badegewässer“, steht für Jens Fleischer fest. Der promovierte Biologe ist beim Stuttgarter Landesgesundheitsamt unter anderem für die Überwachung der Gewässer zuständig. Er wohnt in Tübingen und kennt als begeisterter Stocherkahnfahrer den Neckar sozusagen auch von drinnen, vom Reinfallen. Das sei unbedenklich, sagt er. Aber fürs Baden außerhalb der Freibäder gibt es in Baden-Württemberg um die 300 Badegewässer, die mikrobiologisch überwacht werden. Der Neckar ist nicht dabei.
Klar habe sich die Wasserqualität verbessert. Die Frachten aus der Industrie sind weniger geworden, die Abwässer aus den Wohnungen fließen durch die Kläranlagen. Aber das Wasser sei immer noch mit Kolibakterien belastet. Für Fleischer „ein klarer Indikator für fäkalen Eintrag“. Unterhalb der Mittelstädter Kläranlage würden etwa bei jeder Wasserprobe Novoviren gefunden, die heftigste Durchfallerkrankungen auslösen. Daneben sei eine wilde Badestelle. „Unglaublich“, kommentiert Fleischer. „Die Lasten, die man dem Neckar abverlangt, sind einfach zu groß, als dass er noch ein Badegewässer sein kann.“
Fleischer warnt vor Ansteckungsgefahren: „Wir haben wieder alle Krankheiten, die mal weg waren.“ Und alle kann man sich im Neckarwasser holen. Beim Heidelberger Triathlon haben sich einige Schwimmer etwa eine Leptospirose zugezogen.
Nun gilt unter Triathleten das Tübinger Neckarwasser im Vergleich zum Heidelberger als Trinkwasser. Aber die Organisatoren des Mey Generalbau-Citytriathlons waren sich des Risikos bewusst. Man habe, sagt Ulrich Fabricius vom Organisationsteam, die Teilnehmer bei der Anmeldung ausdrücklich auf die Risiken aufmerksam gemacht, die sie selber tragen müssen.
Auf der anderen Seite, sagt Wilhelm Weidle, könne man Fische aus dem Neckar wieder bedenkenlos verzehren. „Vor 30 Jahren haben die nach Phosphat gestunken“, erzählt der 63-jährige Flurbereinigungsingenieur aus Pfrondorf, der bis 2014 lange Jahre Naturschutzbeauftragter des Tübinger Kreisfischereivereins gewesen ist.
„Die Wasserqualität hat sich in den letzten Jahren dramatisch verbessert“, stellt Weidle fest. Sorgen machen ihm aber immer noch die Belastung der Ammer durch Polychlorierte Biphenyle (PCB), deren Herkunft ungeklärt ist, und die zunehmende Belastung aller Gewässer durch Pharmarückstände. Die steigende Fracht künstlicher Hormone könnte eine Ursache für die um sich greifende Unfruchtbarkeit der Fischbestände sein. Könnte, sagt Weidle vorsichtig, es sei ein hochkomplexes Thema. Sicher sei nur, dass die Fischbestände seit einiger Zeit weltweit drastisch zurück gingen.
Am Herzen liegen ihm die Strukturverbesserungen des Flusses, der ja kaum mehr frei fließen könne. Beim Zählen der Staustufen des Neckars kommt man fast nicht hinterher. „Der Fluss kann nicht mehr mäandern“, sagt er, Man könne ein wenig nachhelfen. Weidle zeigt Bilder, wie die Fischer im Neckar aus Flechtwerk eine Buhne gebaut haben, eine künstliche Verengung, die die Fließgeschwindigkeit erhöht. Dass ein Hochwasser sie kurz darauf wieder weggerissen hat, hat für Weidle auch einen tröstlichen Aspekt: Der Neckar hat mal wieder Leben gezeigt.Fred Keicher