Umsatz sinkt stetig

Wie die neuen Schock-Bilder auf Zigarettenpackungen wirken

Seit vergangenen Sommer warnt nicht nur ein Schriftzug auf der Zigarettenpackung die Raucher vor den schädlichen Folgen ihres Tuns. Obligatorisch wurde damals ein Schock-Foto, das Lungen- oder Kehlkopfkrebs drastisch darstellen soll.

18.01.2017

Von Fred Keicher

Schock-Bild auf einer Zigarettenschachtel.

Schock-Bild auf einer Zigarettenschachtel.

Im Zigarettenregal in Kurt Glanks Zeitungsladen im Tübinger Markt am Nonnenhaus steht seitdem vor jeder Reihe eine Blende. „Aber nicht, um die Bilder zu verdecken, sondern, dass wir Verkäufer die Packungen finden“, erklärt Glank.

Die Zigarettenpackungen sind eigentlich keine Zigarettenpackungen mehr. Der größte Teil ihrer Oberfläche wird von Warnhinweisen, Warnbildern und der Steuerbanderole eingenommen. Die Zigarettenmarke taucht nur noch nebenbei auf. Manche Hersteller verzichten völlig drauf. Marlboro setzt einfach auf bestimmte Farben.

Der Zigarettenabsatz sinkt seit vielen Jahren stetig, sagt Glank. Im Einzelhandel wirkt sich das unterschiedlich aus. Die kleinen Läden verlieren deutlich an Umsatz, die größeren Länden könnten den Umsatz halten, teilweise auch noch zulegen.

Auch von anderer Seite droht der Tabakbranche Konkurrenz. Die E-Zigaretten sind auf dem Vormarsch, ohne dass die Tabakriesen – Philip Morris und BAT – für dieses Segment ein Angebot hätten. Und im Osten Deutschlands, dem Bayerischen Wald und in Sachsen, rauchen die Leute schon lange fast ausschließlich geschmuggelte Zigaretten aus Polen oder Tschechien. Zum Ausgleich, sagt Glank, kommen jetzt die Franzosen nach Deutschland, um Zigaretten zu kaufen. Es gibt in der EU ein deutliches West-Ost-Preisgefälle.

Der Grund sind die Steuern. Der Tabakladen ist so etwas wie eine Außenstelle des Finanzamtes. Etwa 75 Prozent Steuern fallen beim Zigarettenkauf an. Bei einer Standardpackung für sechs Euro sind das 4,50 Euro. Um die 15 Milliarden Euro spült die Tabaksteuer in den Bundeshaushalt.

Die Tabakindustrie reagiere hektisch auf die Veränderungen, sagt Glank. Werfe Sonderpackungen auf den Markt, lasse Marken verschwinden. Aktuell laufe der Versuch, die Sorte „Kurmark“ in „Lucky Strike“ zu überführen. Für Glank undenkbar. „Können Sie sich einen Kurmark-Raucher mit einer Lucky Strike vorstellen?“

Das bei den markenbewussten Rauchern eigentlich undenkbare Vorgehen hat aber schon bei der Marke „Salem“ funktioniert. Sie ist einfach vom Markt verschwunden. Glank erinnert sich noch an die Schachtel, die ganz in Grün gehalten war. „Die konnte man noch auf den Tisch legen.“

Das machen nur noch Hartgesottene mit den jetzt vorgeschriebenen Packungen. Viele würden die Zigaretten umpacken, oder die Packungen in Etuis stecken. Manche lassen sich auch mehrere Packungen ihrer Lieblingsmarke zeigen, um dann die Schachtel mit dem erträglichsten Schockbild mitzunehmen.

Auf die Frage, ob die Schock-Fotos etwas an ihrem Rauchverhalten geändert hat, reagiert eine Frau ungehalten. „Einen S….dreck hat mich das beeinflusst“, sagt sie. „Ich habe schon vorher über die Gefahren des Rauchens und das gesundheitliche Risiko Bescheid gewusst.“ Neulich habe sie beim Zigarettenkaufen zwei junge Männer beobachtet, die sich in aller Ruhe die Fotos durchgeschaut hätten. Die Packung, mit der ihrer Ansicht nach schlimmsten Krankheit, die hätten sie gekauft.

Winfried Gaus raucht etwa 15 selbstgedrehte Zigaretten am Tag. Der Chef vom Dienst beim TAGBLATT geht dazu zum Rauchertreff auf der windigen, zugigen Dachterrasse des Verlagshauses. Sein Rauchverhalten sieht er von den Schock-Fotos nicht beeinflusst. „Das Suchtpotential und die Gesundheitsrisiken habe ich ja schon vorher gekannt.“ Dass verboten wurde, am Arbeitsplatz zu rauchen und später auch im Restaurant, findet er viel einschneidender und im Übrigen richtig wohltuend. Gaus raucht seitdem weniger.

Auch Gaus packt den Tabak nicht um. Und er legt den Tabakbeutel auf den Tisch. Wenn aber seine 12-jährige Tochter die Packung sieht, legt sie das Schächtelchen mit dem Zigarettenpapier auf das Schock-Foto. „Sie sagt dann“, erzählt Gaus, „,Das will ich jetzt nicht sehen.‘ Das gibt schon einen Stich.“ Fred Keicher

(Siehe auch den Kommentar)

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Erstellt:
18.01.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 18.01.2017, 01:00 Uhr

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