Kritik an unsicheren Jobs

46 Prozent der neu abgeschlossenen Arbeitsverträge im Kreis Tübingen befristet

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert: Die nächste Bundesregierung soll sachgrundlose Befristungen von Job abschaffen.

08.09.2021

Im Corona-Sommer 2020 waren 56 Prozent der Neueinstellungen im Gastro-Gewerbe befristet. Die NGG rät Beschäftigten, die Wahlprogramme entsprechend zu studieren. Archivbild: Anne Faden

Im Corona-Sommer 2020 waren 56 Prozent der Neueinstellungen im Gastro-Gewerbe befristet. Die NGG rät Beschäftigten, die Wahlprogramme entsprechend zu studieren. Archivbild: Anne Faden

Im Kreis Tübingen waren zuletzt 46 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge befristet. 1814 von insgesamt 3908 Neueinstellungen hatten im zweiten Quartal 2020 ein Verfallsdatum. Darauf macht die NGG aufmerksam.

Sie beruft sich hierbei auf Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. „Befristete Jobs sind besonders stark im Lebensmittelhandwerk und im Gastgewerbe, aber auch in der Ernährungsindustrie verbreitet – und können gerade für jüngere Beschäftigte zur Falle werden“, sagt Hartmut Zacher, Geschäftsführer der NGG-Region Stuttgart.

Wer eine Stelle auf Zeit habe, bekomme etwa nur schwer eine Wohnung oder einen Kredit. Sogar die Familienplanung werde erschwert. Die nächste Bundesregierung müsse das Problem dringend in den Griff kriegen und Befristungen eindämmen. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren im vergangenen Jahr bundesweit 56 Prozent aller Neueinstellungen im Nahrungs- und Genussmittelgewerbe befristet.

Im Gastgewerbe lag die Quote mit 45 Prozent ebenfalls weit über dem branchenübergreifenden Durchschnitt von 38 Prozent. „Im Zuge der Corona-Pandemie können Befristungen für die Betroffenen zu einem großen Problem werden, weil viele Firmen ihre Arbeitsverträge auslaufen lassen“, warnt Zacher. Es sei überfällig, dass die Politik Befristungen ohne einen sogenannten Sachgrund eindämme. Als Sachgründe gelten dabei etwa eine Elternzeitvertretung oder eine Probezeit.

An die Beschäftigten aus den Branchen der NGG appelliert der Gewerkschafter, sich vor der Bundestagswahl eingehend über die Wahlprogramme der Parteien in puncto Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu informieren und am 26. September wählen zu gehen. „Am Thema Befristungen zeigt sich, wie sehr es auch auf die Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ankommt“, unterstreicht Zacher. Wer im Kreis Tübingen in der Ernährungsindustrie, in Hotels und Gaststätten, Bäckereien oder Fleischereien arbeite, für den stehe bei dieser Wahl viel auf dem Spiel.

„Denn wie viele Stunden die Menschen arbeiten müssen, welche Rente sie am Ende bekommen oder ob aus einem Minijob eine feste Stelle wird – das entscheidet sich auch bei der Bundestagswahl“, so Zacher.

Wichtig sei auch, dass die kommende Bundesregierung die Tarifbindung stärke. Denn laut IAB arbeiteten im vergangenen Jahr lediglich 45 Prozent aller westdeutschen Beschäftigten nach einem Branchentarifvertrag. Im Jahr 2000 waren es hingegen noch 63 Prozent. Zugleich fordert die Gewerkschaft NGG, die durch die Corona-Krise verursachten Belastungen gerecht zu verteilen.

TA