Die Stadt rizzifizieren

Kunsthändler Bernhard Feil verwaltet den Nachlass von Pop-Artist James Rizzi

Die Weingläser, die alljährlich auf dem Umbrisch-Provenzalischen Markt in Tübingen zu haben sind, sind Werke des weltweit bekannten Künstlers James Rizzi. Wieso eigentlich? Was hat der berühmte Pop-Artist mit der Stadt am Neckar zu tun?

12.09.2018

Im Hof der Kunsthandlung „Art 28“ in der Tübinger Schaffhausenstraße. Bilder: Andrea Bachmann

Im Hof der Kunsthandlung „Art 28“ in der Tübinger Schaffhausenstraße. Bilder: Andrea Bachmann

Mit sechzehn gründete Bernhard Feil eine Computerfirma, 1985 fing er in Tübingen ein Jurastudium an. „Meine Welt war mir zu schwarzweiß“, erzählt der Kunstsammler und Kunsthändler Bernhard Feil. „Ich habe einfach Farbe in meinem Leben gebraucht.“ Er fing an, Kunst zu sammeln, als Ausgleich. Friedensreich Hundertwasser und Keith Haring waren ihm gerade bunt genug. Dann lernte er den New Yorker Künstler James Rizzi kennen und verliebte sich spontan in dessen optimistische, bunte Bilderwelt. „Rizzi hat für mich alles verkörpert, was ich gesucht habe.“

Mittlerweile besitzt Bernhard Feil die größte James-Rizzi-Sammlung weltweit, seit dem Tod des Künstlers 2011 verwaltet er auch dessen Nachlass, der von New York in die Räume von Feils „Art 28“ verlegt wurde: 2007 hängte Bernhard Feil Computerfirma und Rechtswissenschaft an den Nagel und widmete sich nur noch der Kunst, zunächst in Stuttgart, seit 2017 in Tübingen. Die „Art 28“ ist eine Art Kunstgroßhandlung, die insgesamt 15 Künstler vertritt, unter ihnen sind Größen wie Otmar Alt und Janosch. Dafür betreuen Bernhard Feil und seine zehn Mitarbeiter weltweit 250 Galerien und sind an etwa 100 Ausstellungen im Jahr beteiligt. Bis auf den Vater der Tigerente gehören alle Künstler in den Bereich der Pop Art oder Street Art – ein besonderes Projekt sind die von „Art 28“-Künstlern gestalteten Stücke der Berliner Mauer, die den Hof der Firma in der Schaffhausenstraße verschönern.

James Rizzi nimmt allerdings eine Sonderstellung ein. Zum Nachlass gehören nicht nur Tausende von Bildern, sondern auch ein großer Teil des Ateliers. Möbel, Sammelobjekte wie eine umfangreiche Blechspielzeugsammlung, private Utensilien und Gebrauchsgegenstände lassen den New Yorker Künstler wieder lebendig werden. Dazu kommen unzählige Lizenzprodukte, für die die „Art 28“ die Rechte hat. Der weltweit bekannte Künstler war Pop-Artist im wahrsten Sinne des Wortes und wollte Kunst zum Gebrauchsgegenstand im Alltag und für jedermann machen. Deshalb gibt es Baseballcaps und Kaffeetassen, Turnschuhe und natürlich die Weingläser, die alljährlich auf dem Umbrisch-Provenzalischen Markt in Tübingen zu haben sind. „Eine Briefmarke für 55 Cent ist vermutlich das billigste Kunstwerk von James Rizzi.“

Viele dieser Dinge konnte man bis vor kurzem in Kornwestheim bestaunen. Im Kulturzentrum „Das K“ zeigte die „Art 28“ eine riesige Retrospektive mit über 700 Werken James Rizzis, eingebettet in eine Nachbildung des Ateliers des New Yorker Künstlers. Dazu gab es ein spezielles museumspädagogisches Konzept für Kinder und Workshops in der eigens dafür eingerichteten Siebdruckwerkstatt. Die Ausstellung war bis zum 2. September zu sehen, dann musste Bernhard Feil die vielen Bilder, die softeisfarbenen Stühle, den grünen Tisch und das blaue Sofa, die Farben, Stifte und Pinsel wieder einpacken und auf die nächste Gelegenheit warten, bei der er Besucherinnen und Besucher in Staunen versetzen kann.

Wenn es nach ihm ginge, würde er gerne auf die Packerei verzichten und den Nachlass seines Freundes dauerhaft in einem James-Rizzi-Museum zugänglich machen. Das hätte er am liebsten in Tübingen. „Mein Herz hängt an dieser Stadt und Rizzi kannte und mochte Tübingen, er war oft hier zu Gast und hat zum Beispiel in der Grundschule auf der Wanne mit den Kindern seine berühmten Birdies gezeichnet.“ Der Sitz der „Art 28“ in der Schaffhausenstraße wäre kein schlechter Standort, der Firma gehört noch eine Wiese, die man bebauen könnte, da ließe sich das Atelier Rizzis ziemlich realistisch darstellen. „Tübingen wächst, aber die Kultur wächst einfach nicht mit. Mittlerweile leben so viele junge Leute in Tübingen, da würde ein solcher Anziehungspunkt doch gut passen“, findet Feil und fügt hinzu, dass er sich sein Rizzi-Museum komplett eigenfinanziert vorstellen könnte.

Bernhard Feil gerät ins Schwärmen. Das große, bunte New York im kleinen, idyllischen Tübingen: James Rizzi hatte sein Atelier in Soho, gegenüber wohnte David Bowie. Vor allen bei seinen 3-D-Bildern unterstützte ihn ein Team aus Cuttern und Coloristen, Rizzi war alles andere als ein einsames Genie. Er liebte New York, diesen „melting pot of nations“ mit seinen vielen unterschiedlichen Menschen. Selbst seine Häuser bekommen Gesichter, Rizzi gilt als Hundertwasser Manhattans. Dabei sind die Bilder nicht nur bunt und lustig, jedes Bild erzählt zudem eine eigene Geschichte. „Viele Titel von Rizzis Werken sind Musikstücken entliehen. Sie sind oft sehr lyrisch und wichtig für das Verständnis der Bilder.“ Seine Wurzeln habe Rizzi nicht so sehr bei Pop-Art-Künstlern wie Andy Warhol, sie lägen eher im Werk Picassos – oder in Kinderbildern, sagt Feil. Da sei schon sehr viel love, peace and happiness vertreten, aber gerade dieses positive Denken mache einen großen Teil des Charmes dieser Kunst aus. Mittlerweile hätten bereits mehrere Kommunen ihr Interesse an einem Rizzi-Museum gezeigt. Aber Tübingen würde schon sehr gut zu all dem passen, meint Feil: „Ich würde die Stadt sehr gerne rizzifizieren.“ Andrea Bachmann

Volle Regale in der „Art 28“.

Volle Regale in der „Art 28“.

Kunsthändler Bernhard Feil setzt sich für ein James-Rizzi-Museum ein, am liebsten wäre ihm Tübingen.

Kunsthändler Bernhard Feil setzt sich für ein James-Rizzi-Museum ein, am liebsten wäre ihm Tübingen.