Den Opfern zuhören

Andreas Foitzik kritisiert den Umgang der Schulen mit diskriminierten Jugendlichen

Auch die Schule ist ein Ort, an dem junge Menschen häufig Benachteiligungen erleben, kritisiert Andreas Foitzik vom Tübinger Antidiskriminierungsverein Adis. Wir sprachen mit ihm darüber, wie Pädagogen ihre Schüler/innen besser vor Diskriminierung schützen können (siehe auch nebenstehenden Kommentar).

29.07.2020

Andreas Foitzik vom Tübinger Verein adis e.V., der Beratung und Weiterbildungen zum Thema Diskriminierung anbietet. Bild: Vivian Viacava Galaz

Andreas Foitzik vom Tübinger Verein adis e.V., der Beratung und Weiterbildungen zum Thema Diskriminierung anbietet. Bild: Vivian Viacava Galaz

TAGBLATT ANZEIGER: Wer ist in Tübingen von Diskriminierung betroffen?

Andreas Foitzik: Davon ist ein großer Personenkreis betroffen, der konkrete Benachteiligungen erlebt. Dabei geht es um Menschen, die beispielsweise an ihrem Arbeitsplatz, in der Schule, an der Universität, bei der Polizei, in Krankenhäusern und in der Öffentlichkeit direkt oder indirekt diskriminiert werden.

Was bietet Adis für die betroffenen Menschen an?

Adis bietet Antidiskriminierungsberatung für die Betroffenen an. Hier können sie offen über ihre Erlebnisse reden. Bei diesen Gesprächen können sie klären, ob sie von uns noch weitere Unterstützung brauchen. Dann helfen wir ihnen beispielsweise beim Formulieren von Beschwerdebriefen oder vermitteln juristischen Beistand.

Außerdem gibt es bei uns Empowerment-Angebote, wie zum Beispiel das KaffeeTrans*. Hier treffen sich Menschen aus Tübingen und der Umgebung mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten mit Musik in unseren Räumen in der Aixerstraße 12 in Tübingen, um Infos auszutauschen und sich zu empowern. Darunter verstehen wir die individuelle und kollektive Selbstermächtigung von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen. Unser Empowerment-Ansatz steht in der Tradition der Kämpfe von marginalisierten Gruppen um Selbstbemächtigung, politische Rechte, Zugang zu Ressourcen und einer Veränderung der gesellschaftlichen und strukturellen Machtverhältnisse. Dabei geht es beispielsweise darum, in Räumen zu sein, in denen die eigene Identität nicht in Frage gestellt wird und sich mit anderen zu vernetzen.

Was kann man persönlich gegen Diskriminierung tun?

Menschen haben viele Vorurteile, die oft von der Gesellschaft und den Medien geprägt werden. Wir müssen deshalb erkennen, was einen Menschen wirklich ausmacht und uns bewusst machen, wie unsere Worte auf andere wirken.

Die aktuelle Diskussion über Rassismus bei der Polizei zeigt, wie Menschen häufig diskriminiert werden: Menschen werden oft nur wegen ihres Aussehens, das auf einen angeblichen Migrationshintergrund verweist, kontrolliert. Und viele Polizisten sehen darin ein völlig normales Verhalten.

Wie gehen Schulen mit dem Thema Diskriminierung um?

In den Schulen wird die Diskriminierung kaum thematisiert, vielen Lehrkräften sind solche Fragen eher lästig. Deshalb wird Kindern und Jugendlichen, die von Diskriminierung betroffen sind, in den Schulen hier oft nicht richtig zugehört. Die Lehrer müssten solchen Schülern mehr Aufmerksamkeit schenken. Dabei dürfen sie sich nicht nur auf die Schüler/innen konzentrieren, von denen ein verletzendes Verhalten ausgeht, sondern sollten auch die im Blick haben, die Diskriminierung erleben.

Zudem sollten die unterschiedlichen Formen von Diskriminierungen auch Thema im Unterricht sein. Um die Lehrer/innen dabei zu unterstützen hat Adis hat das „Praxisbuch Diskriminierungskritische Schule“ veröffentlicht. Wir bieten Schulen auch Beratungen an und organisieren Vorträge zu diesem Thema.

Noch etwas anderes: Ist die Frage nach der Herkunft eines Menschen diskriminierend?

Das ist vom konkreten Kontext abhängig. Bei einer Person, die in Deutschland geboren wurde oder lange hier lebt, kann es so wirken, dass die Zugehörigkeit mit der unvermittelten Frage in Frage gestellt wird. Und meistens tut es einfach auch nichts zur Sache.

Fragen von Vivian Viacava Galaz

Adis bietet unter www.adis-ev.de Online-Veranstaltungen über Diskriminierung an. Auf der Adis-Homepage kann auch das „Praxisbuch Diskriminierungskritische Schule“ kostenlos heruntergeladen werden.

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Erstellt:
29.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 29.07.2020, 01:00 Uhr

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