Ätzend und siedend

Auf den Spuren uralter Flurnamen: Kalkofen

05.05.2021

Reste eines Kalkofens kann man bei der Katzenbacher Ziegelhütte anschauen. Bild: Arndt Spieth

Reste eines Kalkofens kann man bei der Katzenbacher Ziegelhütte anschauen. Bild: Arndt Spieth

Immer wieder stößt man bei uns auf den Flurnamen Kalkofen, manchmal in den Abwandlungen „Kalgoffen“, „Im Kalch“ oder „Kalkgrube“. Ein Kalkofen war ein Brennofen für die Herstellung von Branntkalk aus Kalkstein. Das Brennen von Kalk gehört zu den ältesten Verfahren zur künstlichen Baustoffgewinnung der Menschheit.

Die frühesten bekannten Kalkbrennöfen sind in Mesopotamien und Ägypten gefunden worden, wobei die Herstellung und Nutzung von gebranntem Kalk vermutlich noch älter ist. In ihrer Konstruktion enthielten diese frühen Öfen schon alle wichtigen Elemente der Kalkbrennöfen der Römer, die vor circa 2000 Jahren auch hier in Germanien betrieben wurden.

Diese bewährte Bauweise wurde bis in das 20. Jahrhundert fortgesetzt, wobei zuerst einfache Meiler und Feldöfen verwendet wurden. Für den mehrstufigen Prozess des Brennens war eine entsprechende Planung und Vorbereitung unumgänglich. Erst musste der Standort des Ofens oder Meilers ausgewählt werden, der Ofen musste gebaut oder für den Meiler eine Grube ausgehoben werden und dann mussten natürlich die Kalksteine abgebaut und transportiert werden.

Für den Brand nahm man, je nach Verfügbarkeit, Holz, Torf oder Kohle. Ende des 18. Jahrhunderts kamen kontinuierlich arbeitende Öfen in Gebrauch und die temporär genutzten Öfen und Meiler wurden allmählich aufgegeben.

Kalkbrennöfen waren innen mit Steinen gemauert und außen von Erde umgeben, damit die Wände dem Druck des Füllmaterials standhielten. Die Feuerung erfolgte durch ein Schürloch. Der Bau des Kalkofens und die Beschickung mit Kalksteinen erforderten von Kalkbrennern große Erfahrung und Sorgfalt, denn ein gleichmäßiger Durchbrand des Kalks war wichtig. Die erforderliche Temperatur lag bei circa 1000 Grad Celsius. Bei diesem Vorgang entweicht Kohlenstoffdioxid, wobei Calciumoxid entsteht.

Nach dem Brand ließ man den Inhalt erkalten und erhielt einen weißlichen, porösen Stoff. Dieser ungelöschte Branntkalk ist stark ätzend und kam vielfältig zum Einsatz wie bei der Glas- und Seifenfabrikation oder für das Gerben von Leder. Leider verloren manche Menschen bei den Arbeiten mit Calciumoxid ihr Augenlicht oder zogen sich schwere Verletzungen der Haut oder der Atemwege zu. Beim Kalklöschen durch portionsweise Zugabe von Wasser wird Wärme frei. Sie kann so stark werden, dass die Lösung zu sieden beginnt, was für den Kalkbrenner nicht ungefährlich ist. Auch der Löschkalk (Calciumhydroxid) hat noch eine ätzende und desinfizierende Wirkung, weshalb er früher gerne zum Desinfizieren von Ställen genutzt wurde.

Gibt man Wasser im Überschuss und die dreifache Menge Sand hinzu, erhält man einen Kalkbrei, der als Mörtel geeignet ist. Beim Abbinden reagiert der Kalkbrei mit dem Kohlenstoffdioxid der Luft und bildet wieder kristallinen, harten Kalk. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Branntkalk zunehmend industriell hergestellt, die kleineren Kalköfen aufgegeben.

Heutzutage wird Kalk in Form von Kalksteinen von einem Kalkwerk angeliefert und in vertikal arbeitenden Ring- oder Schachtöfen beziehungsweise in Drehrohröfen oder Wirbelstromöfen auf etwa 900 bis 1300 Grad Celsius erhitzt. Dieses Verfahren ist wesentlich ökonomischer und bietet eine konstante Produktqualität. An vielen Stellen erinnern heute nur noch Straßen- oder Flurnamen an die vielen alten Kalkbrennöfen und -meiler früherer Zeiten.

Reste eines Kalkofens findet man im Katzenbachtal zwischen Bad Niedernau und Weiler in der sogenannten Ziegelhütte. Die Ziegelei im Katzenbachtal wurde 1906 stillgelegt und an das bis dahin bestehende Gebäude wurde ein Kalkofen mit Kalkwerk angebaut. Dieses war bis in das Jahr 1957 in Betrieb. Arndt Spieth

Wer sich besonders für die heimische Industriegeschichte interessiert, dem sei nach dem Corona-Lockdown das „Kalkofenmuseum Untermarchtal“ im Donautal empfohlen. Dort wurde ein kleines Kalkwerk originalgetreu restauriert und als technisches Museum eingerichtet.