Um die Linde war es voll

Auf den Spuren uralter Flurnamen: Siebenlinden

Im Kreis Tübingen stößt man – wie in vielen anderen deutschen Regionen auch – immer wieder auf Flurnamen, die auf Linden hinweisen: Lindele, Lindenäcker, Bei den Linden, Lindenbrunnen und auch das östliche Gewerbegebiet von Rottenburg liegt im Gewann „Siebenlinden“.

27.03.2019

In Rottenburg heißt das östliche Gewerbegebiet „Siebenlinden“. Bild: Arndt Spieth

In Rottenburg heißt das östliche Gewerbegebiet „Siebenlinden“. Bild: Arndt Spieth

Bei den Germanen und Slawen galten Linden als heilige Bäume und Linden waren eng in das kulturelle und auch spirituelle Leben eingebunden. Es wird vermutet, dass die Linde der Fruchtbarkeitsgöttin Frigga/Freya gewidmet war.

Außerhalb der Ortschaften bildeten Lindenbäume besondere Kultstätten, zur Verehrung von Naturgottheiten und auch für Ratsversammlungen, das sogenannte Thing. Damals und auch in späteren Zeiten wurde den Zahlen drei und sieben etwas Heiliges beziehungsweise Magisches zugesprochen und Orte in der Natur mit den „sieben Linden“ waren etwas ganz besonderes. Ähnliches ist auch bei Fluren mit den Namen wie „Siebeneichen“, „Siebenbäumen“ oder Siebenbronnen zu vermuten.

In den Liedern des Minnesängers Walter von der Vogelweide (1170–1230) taucht die Linde mit ihren herzförmigen Blättern erstmals als Symbol der Liebe auf: „Under der linden an der heide, da unser zweier bette was ...“. Und auch lange nach der Missionierung zum Christentum blieben die Linden im Volksglauben außergewöhnliche Bäume, denen noch etwas Magisches anhaftete. Ein berühmter masurischer Wallfahrtsort heißt „Heilige Linde“ und Hochaltäre und Heiligenfiguren für Kirchen schnitzte man gerne aus Lindenholz.

Ebenso müssen zum Beispiel die Fastnachtsmasken, die „Larven“, der Rottenburger „Ahlande“ aus Lindenholz sein. Auch zum Bestattungskult gehörten Linden und man pflanzte sie häufig auf den Friedhöfen und an Kirchen. Vielleicht auch, damit der Lindenduft den Leichengeruch überlagerte. Lange galt der Lindenbaum als schützender Freund der Menschen, unter dem man sich gerne versammelte und gemeinsam feierte. In und um die Siedlungen gab es Dorf-, Tanz-, Brunnen-, Schäfer- und Kirchlinden sowie auch Gerichtslinden, wo Urteile gefällt und auch ausgeführt wurden.

Johann Wolfgang von Goethe schrieb in seinem Faust im Osterspaziergang: „Schon um die Linde war es voll, und alles tanzte schon wie toll“. Viele Feste wurde unter einer Linde gefeiert. Dorf- und Tanzlinden boten in der schattigen Krone oft Platz für das Musikantenpodium. Lindenbäume waren neben der Kirche der Mittelpunkt der Dorfgemeinschaft. Gläubige schmückten den Lindenstamm mit Heiligenbildern oder Kruzifixen. Die Linde war ein wirklicher Volksbaum.

Ihr Name ist mit dem Wort „lind“ verwandt, was weich und geschmeidig bedeutet und eine beruhigende – „lindernde“ – Eigenschaft charakterisiert. Auch das Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore“ erzählt von dieser Wirkung. Der Baum war auch Symbol des Friedens und am Ende von Kriegen pflanzte man Linden als Mahnung und in der Hoffnung, dass der Frieden erhalten bleibe.

Wenn auch inzwischen immer mehr dieser historischen Linden verschwinden, findet man noch viele Gaststätten mit dem Namen Linde. Mit dem Erstarken des Adels nach dem 30-jährigen Krieg entwickelte sich die Linde in ihrer kulturellen Bedeutung vom Einzelbaum zum Alleebaum. Man pflanzte sie in langen Reihen an Straßen zu den Residenzen oder entlang von Prachtstraßen in großen Städten. Bestes Beispiel hierfür ist die Allee „Unter den Linden“ in Berlin. Arndt Spieth

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27.03.2019, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 27.03.2019, 01:00 Uhr

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