Gänse, Seile, Partyspaß

Auf den Spuren uralter Flurnamen: Wasen

01.06.2022

In Kiebingen ist die „Wasenstraße“ ganz in der Nähe des dörflichen Festplatzes. Bild: Arndt Spieth

In Kiebingen ist die „Wasenstraße“ ganz in der Nähe des dörflichen Festplatzes. Bild: Arndt Spieth

Der Flurname „Wasen“ deutet auf grasbewachsene Flächen im Überschwemmungsbereich von Flüssen und Bächen hin.

Das Wort stammt wohl vom mittelhochdeutschen Wort „wase“ ab, was einen „feuchten Boden oder Rasen“ bezeichnete. Der Flurname erinnert natürlich auch an Wasser, denn das gab es an solchen Stellen zumindest vor den Gewässerbegradigungen genug. Weil aber die Wasen für die Landwirtschaft wenig Ertrag brachten, wurde dieses feuchte Ödland gerne als Weide oder schon früh für anderweitige Zwecke genutzt. Häufig waren diese Flächen Teil der Allmende, also dem Grundbesitz einer Gemeinde, der in der Regel gemeinschaftlich genutzt wird. Beim Flurnamen „Almendwasen“ wird das besonders deutlich.

Auf dem Tanzwasen traf sich die Dorfgemeinschaft für allerlei Veranstaltungen und Vergnügungen. Auch wenn er nicht so heißt, ist der Cannstatter Wasen heute der berühmteste Vertreter dieser Nutzung. Er ist bis heute Stuttgarts beliebtester Festplatz. Auf den Wasen ging es aber auch weniger lustig zu: Auf den Schind- oder Schelmenwasen karrte man die Kadaver des gestorbene Viehs. Die Schinder oder Luderknechte verarbeiten dort das verwesende Fleisch zu Seife, Bleichmittel und Leim und vergruben – „verlocherten“ – den Rest in der Erde. Auf einem Zankwasen wurde wohl mal ein gewaltsamer Konflikt ausgetragen oder man zankte sich um die Nutzungsrechte der Weide. Ein Totenwasen war ebenfalls ein unheimlicher Ort und lässt eine dunkle Vorgeschichte erahnen. Der Bettelwasen zeugt von einstiger großer Armut und den Armen, die auf der Allmendfläche vielleicht ihr Dasein fristeten. Ein Hungerwasen weist wohl auf eine alte Gepflogenheit der Hirten hin, ihrem dort zusammengetriebenen Vieh im Frühjahr wegen der Anpassung für einige Zeit nichts zum Fressen zu geben. Auf dem Schießwasen befanden sich vermutlich Schießstände oder machten die Dorfbewohner ihre Schießübungen.

Ein Seilerwasen erinnert daran, dass dieses Ödland neben den Schindern auch von anderen Berufsgruppen genutzt wurde. Aus Hanf- oder Flachsfasern oder Pferdehaaren stellten die Seiler hier ihre Seile und Schnüre her. Diese wurden schon früh als Brunnenseile, Treträder, Katapulte, Lastenaufzüge, Glockenseile, Flaschenzüge und nicht zuletzt für den Galgenstrick benötigt. Die Wasen waren für die Seilproduktion ideal, denn sie boten Wasser und Platz zum Trocknen. War der Hanf reif, wurden die Stängel aus dem Boden gezogen und ein paar Tage ins Wasser getaucht. Danach legte man den Hanf auf die Wiese zum Trocknen. Nach weiteren Arbeitsschritten wurden die Fasern schließlich zu Fäden verarbeitet und mit dem sogenannten Seilerrad zu Schnüren zusammengedreht.

Namen wie Sau-, Kuh- oder Gänswasen erinnern noch an die Nutzung als Weideland. War der Untergrund sumpfig oder gar moorig, wuchsen hier Sauergräser wie die bestimmte Seggenarten oder das Wollgras. Hier hat sich der Flurname Sauerwasen oder auch Schlattwasen erhalten. Wenn der Untergrund trockener und alkalischer war, wuchsen Süßgräser und man nannte so einen Ort auch Süßer Wasen. Während Süßgräser gute Futtergräser sind, werden die Sauergräser vom Vieh eher gemieden, da sie aufgrund ihres hohen Kieselsäuregehalts oft hart und scharfkantig sind. Daher waren die Süße Wasen beliebte Weideplätze. Arndt Spieth

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01.06.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 33sec
zuletzt aktualisiert: 01.06.2022, 01:00 Uhr

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