Ersatzfamilie im Friseursalon

Auszubildender Wajdi Rabbah gewinnt die „Youngster Trophy 2018 – Herren“

Knapp 700 junge Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit machen eine handwerkliche Ausbildung im Bezirk der Handwerkskammer Reutlingen. Insgesamt werden zurzeit 155 Flüchtlinge ausgebildet.

11.04.2018

Der syrische Flüchtling Wajdi Rabbah und sein Ausbilder Roberto Laraia. Bild: Handwerkskammer

Der syrische Flüchtling Wajdi Rabbah und sein Ausbilder Roberto Laraia. Bild: Handwerkskammer

Wajdi Rabbah ist einer von ihnen. Der junge Mann, der vor drei Jahren aus Idleb im Nordwesten von Syrien nach Deutschland kam, absolviert zurzeit eine Ausbildung beim Friseur Laraia Hairlive in Reutlingen. Und zwar so erfolgreich, dass er bei den diesjährigen Landesmeisterschaften der Friseure den ersten Platz in der Kategorie „Erstes Lehrjahr Herrenfach“ belegte.

„Wir alle hier sind unheimlich stolz auf Wajdi. Ich habe gleich gesehen, dass er Talent hat und sehr ehrgeizig ist. Er will immerzu alles wissen“, erzählt sein Ausbilder Roberto Laraia, der zu den besten Hairstylisten der Welt gehört.

Bis Wajdi Rabbah in die Fußstapfen seines Meisters treten kann, werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen. Der junge zurückhaltende Mann lässt sich aber so leicht nicht verunsichern und fürchtet sich auch nicht vor Rückschlägen.

Nachdem er mit 17 Jahren alleine nach Deutschland flüchtete – seine Eltern und sein Bruder kamen in Idelb bei Bombenangriffen ums Leben – kam er zunächst in einer Asylunterkunft in Lörrach unter, wenig später in einer in Reutlingen. „Ich wusste nicht, was mich hier erwartet, was ich wusste war, dass ich etwas mit Haaren machen wollte, schließlich habe ich in Syrien, nachdem meine Schule ausgebombt wurde, zwei Jahre bei einem Friseur gearbeitet“, berichtet Wajdi.

Doch zunächst musste der junge Mann die Schulbank drücken, um Deutsch zu lernen. An der Laura-Schradin-Schule in Reutlingen machte er seinen Hauptschulabschluss und im Friseursalon von Roberto Laraia zwei Praktika bis er im September 2017 seine Ausbildung begann. Auf die Frage, welche Unterschiede zwischen einem syrischen und einem deutschen Friseur beständen, antwortet er: „In Syrien gibt es nicht so viele verschiedene Haarschnitte für Männer und wir haben fast nie die Schere benutzt, nur den Rasierapparat. Zudem habe ich dort auch keine Frauen frisiert, hier ist das gang und gäbe.“

Trotz aller Unterschiede fällt es Wajdi leicht, sich in Reutlingen zu assimilieren. In seiner Freizeit hört er gerne Musik und spielt mit seinen Freunden Fußball. Nach Syrien zurückkehren möchte er nicht, zu schmerzhaft sind seine Erinnerungen.

Sein größter Wunsch ist es, seine Ausbildung mit einer sehr guten Note abzuschließen und in naher Zukunft seinen Meister zu machen. Roberto Laraia sieht darin kein Problem: „Wir alle hier im Salon sind für Wajdi seine Familie und helfen ihm, wo wir nur können. Als Sohn eines italienischen Gastarbeiters der ersten Stunde weiß ich, wie wichtig es ist, angenommen und willkommen zu sein.“ fk

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Erstellt:
11.04.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 11.04.2018, 01:00 Uhr

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