Was Mutter schon wusste

Baillul Zefere möchte als Koch seine Kreativität ausleben

Baillul Zefere arbeitet als Koch – und stellvertretender Küchenchef – in Mike’s Urban Pub in Tübingen. Wir sprachen mit dem 37-jährigen Eritreer, der seit 1990 in Deutschland lebt, über Kreativität in einer Franchise-Kette und den Sinn der aktuellen Corona-Regeln.

05.05.2021

Baillul Zefere bleibt unter Stress gelassen. Bild: Dennis Duddek

Baillul Zefere bleibt unter Stress gelassen. Bild: Dennis Duddek

TAGBLATT ANZEIGER: Wie kamen Sie zum Beruf des Kochs?

Baillul Zefere: Ich habe mein ganzes Leben lang sehr gerne gekocht, auch schon als Kind. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich nur den Status eines Geduldeten und konnte deshalb keine richtige Ausbildung machen. Meine Schwester hatte mir damals einen Job in der Eventbranche besorgt. Nach einiger Zeit habe ich allerdings gemerkt, dass das nicht das Richtige für mich ist. Und dann kam ich auf die Idee, Koch zu werden.

Haben Sie Vorbilder, an denen Sie sich beim Kochen orientieren?

Ganz klar meine Mutter. Sie hatte mich auch vor dem Stress in diesem Beruf gewarnt. Und sie hat mich bei meiner Arbeit immer unterstützt.

Viele junge Leute schrecken vor den Arbeitszeiten in der Gastronomie zurück.

Die Arbeitszeiten sind in dieser Branche natürlich abschreckend und können einen auf die Dauer echt fertig machen. Trotzdem bin ich bis heute sehr froh darüber, dass ich mich fürs Kochen entschieden habe. Ich habe den Beruf in einer alten deutschen Küche gelernt. Das war ebenfalls eine sehr harte Zeit für mich. Wegen meiner dunklen Hautfarbe gab es auch immer wieder einen dummen Spruch vom Chef oder den Kollegen. Man braucht in diesem Gewerbe schon einen starken Willen. Denn alteingesessene Köche können einem das Leben schwer machen.

Was darf in Ihrer Küche nicht fehlen?

Ich ärgere mich, wenn die ganzen Standard-Gewürze wie zum Beispiel Salz oder Pfeffer in der Küche leer sind. Man kann auch mit simplen Zutaten sehr gute Gerichte zaubern. Es gibt für mich nicht die eine unverzichtbare Zutat. Ich nutze allerdings sehr gerne Cayenne-Pfeffer.

Was ist Ihre größte Schwäche beim Kochen?

Ich glaube, das ist meine Allergie gegen Schalentiere. Wenn ich sie esse, bekomme ich ein geschwollenes Gesicht. Selbst wenn ich sie beim Kochen lediglich bearbeite, reagiert mein Körper. Aber das hält mich nicht davon ab, auch Schalentiere zuzubereiten. Wo ein Wille ist, ist auch immer ein Weg.

Was ist der größte Fehler, den man beim Kochen machen kann?

Mehrere Köche versalzen das Essen. Wenn man angefangen hat, ein Gericht zu kochen, sollte man es auch selber beenden.

Haben Sie Tipps für junge Köche?

Mir fällt es immer sehr schwer, jungen Köchen zu zeigen, wie das Ganze läuft. Ich gebe natürlich situationsbedingt sehr gerne Tipps, wie man beispielsweise etwas gut schneidet. Grundsätzlich sollte man als Koch immer daran denken, dass Liebe durch den Magen geht. Und so sollte man auch kochen.

Wie schaffen Sie es, in einem vollen Lokal nicht den Überblick zu verlieren?

Man muss immer systematisch vorgehen und so viel wie möglich vorbereiten, bevor die Gäste ihr Essen bestellen. Man bereitet zur Vorsorge nicht nur einen Salatkopf vor, sondern direkt zwei, damit man noch genügend Reserve hat. Auch wenn jeder Abend unberechenbar ist: Man darf nicht in Panik geraten, wenn man unter Druck steht.

Haben Sie ein Lieblingsrezept?

Nicht nur eines. Ich koche sehr gerne kreativ. Daher liebe ich es, dass wir uns bei den Mittagsgerichten in Mike’s Urban Pub etwas austoben dürfen und selbst bestimmen können, was wir wann kochen wollen. Das ist nicht bei jedem Gericht möglich, da wir zu einem Franchise-Konzept gehören und die Gäste in allen Filialen den gleichen Standard erwarten. Ein indisches Curry mit Gemüse und Kokosmilch geht bei mir aber immer.

Was ist Ihr Ziel als Koch?

Da ich ziemlich spät in den Beruf eingestiegen bin, hatte ich nie den supergroßen Traum. Vor zwei Jahren wollte ich auf einem Schiff kochen. Auch hätte ich gerne mal in der Schweiz gearbeitet. Beides ging wegen meiner Papiere nicht. In Zukunft möchte ich aber mein eigener Chef in meinem eigenen Restaurant sein.

Beenden Sie bitte den Satz: „Kochen bedeutet für mich…“

… einfach alles.

Welche Folgen hat die Corona-Pandemie für Ihre Arbeit?

Die aktuelle Situation ist für mich sehr schwierig. Zum Glück konnten wir hier im Pub auch während eines Lockdowns die Gäste bedienen, die aus beruflichen Gründen im Hotel übernachten. Sonst wäre die Lage noch schwieriger.

Haben Sie noch Verständnis für die Corona-Regeln?

Ich finde es besser, die Regeln konsequent statt halbherzig durchzuziehen. Es ist für uns alle eine schwierige Zeit, die wir so noch nie hatten. Aber lieber machen wir alles einmal dicht und und verhindern so die Ausbreitung des Virus, als immer wieder auf und zu machen zu müssen.

Haben Sie Angst vor der Zukunft?

Im Moment habe ich zum Glück keine Angst und auch keinen Anlass dafür, da unsere Geschäftsleitung erklärt hat, alle Mitarbeiter zu halten.

Mögen Sie es, wenn jemand anderes für Sie kocht oder schwingen Sie lieber selber

den Löffel?

Ich koche doch lieber selber. Denn ich finde, dass essen und kochen einfach zusammengehören. Ich gehe auch sehr selten essen, da ich schon recht wählerisch bin. Ich bin zwar kein Gourmet, aber ich achte beim Essen sehr auf den Geschmack und die Qualität.

Fragen von Dennis Duddek