Im Hier und Jetzt

Barbara Göger erklärt, was Eutonie ist

Barbara Göger ist Diplom-Pädagogin, Beraterin und als Coach für Führungskräfte in ganz Deutschland unterwegs. Zudem ist sie Eutonie-Therapeutin und Vorsitzende des Berufsverbandes.

18.10.2017

Von Philipp Schmidt

Eutonie-Therapeutin Barbara Göger. Bild: Philipp Schmidt

Eutonie-Therapeutin Barbara Göger. Bild: Philipp Schmidt

Der TAGBLATT ANZEIGER traf die vielbeschäftigte Frau in ihrem Praxisraum in Hirschau.

TAGBLATT ANZEIGER: Was genau ist eigentlich Eutonie?

Barbara Göger: Der Begriff leitet sich ab von der griechischen Silbe „Eu“, was „gut“, „angenehm“, „angemessen“ bedeutet, und von „Tonus“, also „Körperspannung“. Es geht im Grunde darum, eine gute Körperspannung dafür herzustellen, was man gerade macht. Es handelt sich dabei nicht um eine Entspannungstechnik, sondern um eine körperpädagogische Methode. Das heißt, der Körper soll lernen, intuitiv zu erkennen, wie es ihm gerade geht, und was er tun kann, um sich auf eine aktuelle Tätigkeit gut einzustellen.

Das klingt nach Achtsamkeit…

Dieses Auf-sich-Fokussieren, in sich hineinhören, das heute so modern klingt, ist eigentlich eine Entwicklung, die etwa vor hundert Jahren bei uns begonnen hat. (schmunzelt)

Wer hat die Methode begründet?

Gerda Alexander. In Fachkreisen nennen wir sie oft die kleine Tochter von Feldenkrais. Gerda Alexander war eine Zeitgenossin des viel bekannteren Moshé Feldenkrais. Die beiden haben sich gekannt und gegenseitig sehr geschätzt. Gerda Alexander kam vom Theater und Ausdruckstanz und litt unter Rheuma. Infolge der Erkrankung hat sie begonnen, mit ihrem eigenen Körper zu arbeiten, um einen Weg zu finden, mit der Krankheit zu leben und beweglich zu bleiben. Trotz dieser Gründungsgeschichte ist die Methode aber eigentlich etwas für Gesunde.

Was hat Sie zur Eutonie gebracht?

Die Methode ist mir vor über 30 Jahren im kirchlichen Kontext begegnet. Mir hat daran gut gefallen, dass der Ansatz nicht esoterisch, sondern sehr greifbar ist, da man ganz physiologisch arbeitet. Es geht darum, seinen Körper in seinen Strukturen konkret zu spüren; Haut, Gewebe, Knochen. Gleichzeitig hat die Eutonie einen meditativen Aspekt. Das hat mich fasziniert.

Bei meiner Beratungstätigkeit habe ich festgestellt, wie körperlos die meisten Menschen sind. Selbst die Emotionen, mit denen ich arbeitete, hatten ihren Ort im Kopf. Das hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass es eine Schwäche unserer Kultur ist, dass man nicht selbstverständlich ein Bewusstsein für seinen Körper im Hier und Jetzt hat. Dazu möchte ich Menschen befähigen und genau das leistet die Eutonie. Seit Abschluss der Ausbildung leite ich Gruppen und biete auch Einzeltherapie an.

2018 wird es einen längeren Samstagskurs und einen wöchentlichen Kurs geben. Neu hinzu kommt ein Kurs für frische Mütter mit Kindern.

Genau. Das Angebot richtet sich an Mütter mit Säuglingen, die sich selbst noch in der Rückbildung befinden und natürlicherweise ständig das Gewicht des Kindes tragen müssen. Von dem Kurs sollen übrigens beide etwas haben, also ein Mutter-Kind-Projekt.

Wie ist denn das Feedback der Teilnehmer/innen?

Das ist das Schöne daran. Es kommt nur ganz selten vor, dass jemand sagt: „Das ist aber nichts für mich.“ Die meisten sind beglückt, bis hin zu verblüfft, weil sie plötzlich wieder Bewegungen machen können, die ihnen zuvor unmöglich erschienen, oder schlicht spannende, angenehme Körpererfahrungen machen. Ich erhalte also sehr viele äußerst positive Rückmeldungen. Manche Leute kommen auch schon lange und sind mir böse, wenn eine Sitzung mal ausfällt. (lacht)

Ist die Wirkung auf die Sitzungen beschränkt?

Im Gegenteil. Viele Anregungen lassen sich in den Alltag übertragen. Allerdings nicht primär im Sinne von Übungen, die man Zuhause nachmachen kann. Wenn ich verstanden habe, wie Stehen richtig geht, stehe ich anders im Supermarkt in der Schlange oder beim Kochen am Herd.

Gibt es eine Ideologie hinter der Methode?

Mir ist wichtig zu sagen, dass die Eutonie weltanschaulich neutral ist. Das Mir-selber-gewahr-Sein hat eine Tiefe. Die würde ich aber nicht spirituell nennen. Es geht auch viel um Emotionalität, aber stets über den Weg des Physiologischen, über das Spüren. Ganz konkrete, körperliche Wahrnehmungen lösen immer auch Gefühle aus.

Interview: Philipp Schmidt

www.goeger.com

www.eutonie.de