Doch keine Raubritter

Beim Greifenstein-Projekt der Tübinger Archäologen gibt es immer wieder interessante, neue Erkenntni

07.07.2021

Vorsichtig legen die Grabungshelferinnen die Befunde auf der Burgruine Stahleck bei Lichtenstein-Unterhausen frei.Bilder: Gabriele Böhm

Vorsichtig legen die Grabungshelferinnen die Befunde auf der Burgruine Stahleck bei Lichtenstein-Unterhausen frei.Bilder: Gabriele Böhm

Jahrzehntelang sind Wanderer darüber hinweggeschritten und haben von der Burgruine Stahleck nicht mehr bemerkt als einen historischen Grenzstein und Gräben. Doch in nicht einmal zwei Wochen hat sich dieses Bild grundlegend geändert. Tübinger Archäologen haben jetzt in geringer Tiefe Mauerreste und Strukturen entdeckt, die auf eine größere Anlage schließen lassen.

Grabungsleiter Michael Kienzle, Doktorand der Mittelalterarchäologie an der Uni Tübingen, und sein Kollege Dr. Lukas Werther referierten Mitte Juni über die neusten Erkenntnisse durch die Grabung.

Bereits im vergangenen Herbst hatte das Archäologenteam die Öffentlichkeit mit den Ergebnissen einer Grabung am sogenannten Brudersteig überrascht. Entgegen der Überlieferung einer Mönchszelle oder Einsiedelei wurde hier im Laufe der Grabung immer deutlicher, dass sich auf der Hangterrasse in der Gemarkung Lichtenstein-Unterhausen eine größere Klosteranlage befunden hat. Ähnlich verhält es sich nun mit der Burgruine Stahleck. Auch hier erbrachte die Grabung bereits zum jetzigen Zeitpunkt neben der Hauptburg auch eine ausgedehnte Vorburg.

Michael Kienzle, Historiker und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Tübingen, verfasst aktuell seine Doktorarbeit über die Burgensysteme der Region und lud immer wieder Interessierte zu seinen Führungen mit neusten Ergebnissen ein. Inzwischen bildete sich ein Unterstützerkreis, der die Entwicklungen mit großem Interesse verfolgt.

Im Zentrum der derzeitigen Forschungen steht die Adelsfamilie von Greifenstein, deren überliefertes Bild als Raubritter sich durch die Forschung nach und nach korrigiert. Sicher ist, dass die Greifensteiner vom späten 12. Jahrhundert bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts am Albtrauf eine kleine, aber gut strukturierte Herrschaft mit mehreren Burgen aufbauten. In dieser Zeit ist die schriftliche Überlieferungslage dünn, so dass die Archäologie wertvolle Erkenntnisse liefert. Kienzle geht davon aus, dass die Greifensteiner aus dem alten Pfullinger Ortsadel stammen, zumal Pfullingen als Zentrum des Pfullichgaus einstmals erheblich bedeutender als Reutlingen war.

Das Blatt wendete sich, als Reutlingen um die Mitte des 13. Jahrhunderts das Stadtrecht erhielt und sich der Konkurrenz am Albtrauf entledigte. 1311 wurden die Burgen der als Raubritter diffamierten Greifensteiner zerstört. Dennoch blieb das Adelsgeschlecht in der Gegend noch bis 1355 aktiv, als Swigger von Greifenstein seine Herrschaft an Württemberg verkaufte. Wo genau die Adligen in den rund 45 Jahren ihren Wohnsitz hatten, ist ungewiss.

Hier kommen die neuesten Grabungsergebnisse ins Spiel. Denn dem archäologischen Fundmaterial zufolge, war die Burg Stahleck bis Mitte des 14. Jahrhunderts besiedelt. Darauf deuten Keramikscherben und glasierte Ofenkacheln, die auch ein Zeugnis dafür sind, dass man es sich auf der Burg gut gehen ließ und ein gewisser Luxus herrschte. „Wurde die Burg also vielleicht doch 1311 zerstört und wieder aufgebaut?“, fragte Kienzle.

Sicher ist, dass sich in Spornlage direkt am Steilhang ein quadratisches Gebäude befand, dessen Fundamente zuvor im Wanderweg zu erahnen waren und jetzt freigelegt wurden. Auch Umfassungsmauern lassen sich nachvollziehen. Rätsel geben bislang Mauerfundamente und mit Dachziegeln durchsetzte Versturzschichten auf. Hier wird die Hauptburg vermutet, der Wohnbereich des Burgherrn. Ein Graben trennt die Anlage von der Vorburg, die mit Ställen und Vorratsgebäuden nicht nur den Versorgungshof darstellte, sondern auch eine vorgelagerte Verteidigungslinie auf der besonders gefährdeten Ostseite bildete, auf der das Gelände ebenerdig an die Burg anschloss. Vor der Vorburg hält Kienzle auch eine kleine Ansiedlung für möglich.

„Noch ermittelt werden sollen auch die Hintergründe einer dicken Lage Brandschutt in der Vorburg“, erläuterte Mittelalterarchäologe Lukas Werther. Bei der Frage nach Töpfereien der Umgebung oder nach der Nutzung von gefundenen Metallteilen kam Hilfe aus der Bevölkerung. Ein Landwirt identifizierte letztere als Beschlag der Deichsel eines Leiterwagens. Gefunden wurden auch eine Pferdetrense sowie Fragmente von Ofenkacheln, die die Abdrücke von Fingerkuppen eines mittelalterlichen Handwerkers zeigen. Gabriele Böhm

Erst kürzlich hat die Grabung eine Zusage von DFG-Fördermitteln erhalten. Diese bilden nun eine wichtige Grundlage für die weiteren Forschungsarbeiten in den nächsten Jahren und sollen durch regionale Fördergelder ergänzt werden.

All diese Funde gilt es nach der Grabung zu analysieren.

All diese Funde gilt es nach der Grabung zu analysieren.