Fans sind Requisiten-Profis

Beim Pokalspiel gegen die Stuttgarter Kickers unterlag Tübingen dem Oberligisten

Es war für beide Teams das erste Spiel, bei dem es tatsächlich wichtig war, wer gewinnt: Das Pokalspiel der TSG Tübingen gegen die Stuttgarter Kickers war für beide eine Art Neuanfang.

28.07.2021

Torschütze David Braig (Stuttgarter Kickers, Mitte) sorgte für Begeisterung.Bild: Ulmer

Torschütze David Braig (Stuttgarter Kickers, Mitte) sorgte für Begeisterung.Bild: Ulmer

„Darauf habe ich ein dreiviertel Jahr gewartet“, sagte Kickers- Fan Daniel Bloch, der für das Match gegen die TSG Tübingen aus Vaihingen angereist war. Vor dem Spiel war für ihn glasklar, wer gewinnt: „Wäre ja gelacht, wenn wir als Beinahe-Aufsteiger in die Regionalliga nicht gegen einen Verbandsligisten gewinnen würden.“

Nun, ein Pokal hat, auch wenn es wie ein Klischee klingt, dennoch seine eigenen Gesetze. Und das gilt natürlich auch für den Verbandspokal. Dabei standen die Anzeichen nicht günstig: Erst kürzlich traten beide Teams zum Testspiel gegeneinander an, ebenfalls auf dem Platz der TSG.

Das verloren die Tübinger mit 2:4, aber die, die dabei waren, sind der Meinung, das Spiel hätte auch die TSG gewinnen können. Oder zumindest ein Remis wäre drin gewesen. Überhaupt war die TSG gut in die Testspielphase gestartet, das Spiel zum Beispiel gegen die U19 des VfB Stuttgart, das 4:1 gewonnen wurde, war richtig gut.

So hoffte die TSG, am Samstag den Heimvorteil nutzen zu können. Immerhin waren Zuschauer erlaubt, sogar gerne gesehen. Denn mit den Kickers war besprochen worden, dass von jedem verkauften Ticket ein Euro an die Flutopfer ging. Geschätzt waren am Ende immerhin um die 500 Zuschauer im Stadion. Dabei war der Einlass für Stuttgart-Fans am Beachvolleyballfeld, für die anderen am Haupteingang zwischen Geschäftsstelle und Sportheim.

Auffallend dabei: Die Kickers-Fans waren am Samstag deutlich in der Überzahl. Auch ihre Requisiten zeigten, dass sie viel gelernt haben in ihrer Zeit in den höheren Spielklassen. „Es gibt Fans“, berichtet Bloch, „die fahren seit Jahren zu jedem Auswärtsspiel mit, egal wohin.“

Nein, sagte er, er gehöre nicht dazu. Die Kickers hatten jedenfalls riesige Fahnen dabei, Tröten, zahlreiche Trikots mit Spielernamen und weiteres weiß-blaues Zubehör.

In den ersten Minuten des Spiels stockte wahrscheinlich so manchem erst mal der Atem. Denn schon nach ein paar Minuten traf Jannis Röhm ins Kickers-Tor. Die Stuttgarter konnten aufatmen: Das Tor galt nicht, wurde wegen Abseits wiederaberkannt – zurecht übrigens.

Dann war die Partie lange Zeit ausgeglichen, so richtige Chancen stellten sich zunächst für beide Teams nicht ein. Die Stärke der TSG lag im schnellen Konterspiel, dann konnten sie die Kickers-Defensive unter Druck setzen. Noah Dörre hatte nach einer halben Stunde die große Chance zur Führung - aber in letzter Sekunde brachte ein Kickers-Spieler noch ein Bein zwischen den Schuss.

Unglücklicher als am Samstag hätte es nicht laufen können für die TSG. Denn nur drei Minuten nach dieser Riesenchance gingen die Kickers durch ein Eigentor in Führung. Eine Hereingabe der Kickers von außen traf Tim Herrmann unglücklich am Bein, und drin war die Kugel. Mit der Führung hätte zu diesem Zeitpunkt niemand gerechnet. Umso unglücklicher, was danach passierte. Denn der Schock muss noch tief gesessen haben, als Nikolas Bok eine weitere, scharfe Hereingabe des Oberligisten nicht klären konnte. David Braig vollstreckte sie geschwind für die Kickers. Damit ging es mit 2:0 in die Pause: Der Gast lag vorne.

Die zweite Hälfte war lange nicht so prickelnd wie die erste. Das lag ganz sicher auch an den Außenbedingungen. Denn Hitze und Luftfeuchtigkeit forderten ihren Tribut. Das Match wurde zerfahrener, richtig gute Chancen gab es wenige. Noch fünf Minuten vor Spielende hatte die TSG die Chance zum Anschlusstreffer. Doch der Ball versprang im Kickers-Strafraum. Die Kickerspieler schienen einen Zacken besser aufgestellt zu sein. So hatten sie in der ersten Hälfte mit Ruben Reisig den besten Mann auf dem Platz.

Die TSG kann das Spiel durchaus als Standortbestimmung heranziehen. Der Abstand zum ambitionierten Oberligisten war durchaus da, aber er war weniger deutlich, als man das erwarten durfte. Mit ihrer Mischung aus Jungen und Erfahrenen scheinen die TSGler weiterhin die richtige Vereinspolitik zu fahren.

„Wir haben auch dieses Jahr drei Spieler aus der Jugend nach oben rangezogen“, sagt Alexander Wütz, Abteilungsleiter Fußball bei der TSG. Das innere Verhältnis des Teams stimmt ohnehin. Die Spieler hatten erst jüngst vier Tage lang mitgearbeitet beim Tübinger „Tank-Festival“ im Französischen Viertel.Werner Bauknecht