Aus der Luft und zu Fuß (66)

Weiler

20.02.2019

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

Weiler

Bereits im 12. Jahrhundert waren die Edelfreien von Rotenburg auf dem Zeugenberg am nordöstlichen Ausläufer des Rammerts ansässig, der heute der Burgberg genannt wird. Im 13. Jahrhundert wurde hier eine Burg gebaut. Diese „Rotenburg“ kam bald darauf in den Besitz der Grafen von Hohenberg. Zur Versorgung dieser Burg entstand ein kleiner Weiler im Süden am Fuße des Burgbergs, der 1244 zum ersten Mal als „Wilaere“ erwähnt wurde. Der älteste Teil dieses „Burgweilers“ säumte vermutlich nur die Straße, von der aus man zur Burg gelangte.

Vor allem die Versorgung mit Wasser muss ein Problem gewesen sein. Trockenperioden sorgten dafür, dass Getreide nur kümmerlich wuchs und sogar die Beschaffung von frischem Trinkwasser nicht immer möglich war. Noch im 19. Jahrhundert war sauberes Wasser in Weiler keine Selbstverständlichkeit: 1884 installierte der Ingenieur Karl Ehmann, der maßgeblich für die Wasserversorgung der Schwäbischen Alb zuständig war und mehrere Wasserwerke in Württemberg baute, eine Einzylinder-Kolbenpumpe und ein Maschinenhaus – eines der ersten im Königreich Württemberg.

Schon Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Burg wieder verlassen und war schon im Jahr 1407 baufällig. 1624 wurde die Gemäuer bis auf die Fundamente abgetragen und als Baumaterial für das Kapuzinerkloster in Ehingen verwendet. Heute sind von der ehemaligen Burganlage nicht einmal mehr Reste erhalten. Aber 1874 ließ der Sülchgauer Altertumsverein dort einen Aussichtsturm errichten, der heute ein beliebtes Ausflugsziel darstellt, das längst die „Weilerburg“ genannt wird.

Der Weiler selbst gehörte ab 1381 zu Vorderösterreich, kam 1805 zum Königreich Württemberg und seit 1971 ist Weiler ein Stadtteil von Rottenburg, idyllisch gelegen mit Blick auf Rammert, Schwäbische Alb und Hohenzollern.

Noch bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Hänge rund um die Weilerburg mit Wein bedeckt, der Ort verfügte auch über eine eigene Kelter, die allerdings 1945 durch einen Bombeneinschlag zerstört wurde und abgebrochen werden musste.

Das Backhaus, das 1849 errichtet wurde, ist jedoch immer noch in Betrieb. Hier werden regelmäßig Brotbackkurse oder Backtage für Kinder angeboten, mehrmals in der Woche kann man dort frisches Brot backen oder kaufen.

Die erste Kirche in Weiler, das seit dem 14. Jahrhundert zum Chorherrenstift Sankt Moriz in Rottenburg-Ehingen gehörte, war die Sankt-Jodokus-Kapelle, die drei Kilometer vom Ort entfernt an der Straße nach Rottenburg stand. Sie war gleichzeitig ein beliebter Wallfahrtsort, wurde aber 1809 abgebrochen. Heute erinnert nur noch ein kleiner Bildstock an das einstige Gotteshaus.

1811 wurde Weiler eine selbständige Pfarrei und die kleine, 1475 zum ersten Mal erwähnte Sankt-Wolfgang-Kapelle wurde zur Pfarrkirche erhoben. Erst 17 Jahre später leistete man sich eine größere Kirche: St. Wolfgang. Sie ist heute noch ein schönes Beispiel für den sogenannten Weinbrenner-Stil. Johann Jakob Friedrich Weinbrenner (1766-1826) war ein maßgeblicher Architekt des Klassizismus. Er lebte in Karlsruhe, leitete zu Beginn des 19. Jahrhundert das gesamte badische Bauwesen und bildete als Direktor der späteren Polytechnischen Schule Karlsruhe mit über hundert Schülern ganze Architektengenerationen aus, sodass seine Formensprache sich in ganz Süddeutschland verbreitete. Da Weinbrenner als staatlicher Baudirektor immer extrem sparsam und funktional bauen musste, gerieten seine Entwürfe oft reduziert und etwas schwerfällig und spröde. Auch die Kirche in Weiler mit ihrem kleinen Fachwerktürmchen und dem einfachen Baukörper ist ein Musterbeispiel für diese schlichte schwäbische Sparsamkeit. Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

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Erstellt:
20.02.2019, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 20.02.2019, 01:00 Uhr

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