Würdig, aber keinesfalls protzig

Besondere Bauten in der Region: Bischöfliches Ordinariat in Rottenburg

23.12.2020

Besondere Bauten in der Region: Bischöfliches Ordinariat in Rottenburg

Das neue Bischöfliche Ordinariat in Rottenburg konnte im Juli 2013 nach elfjähriger Planungs- und Bauzeit eingeweiht werden. Seitdem prägt vor allem der markante Neubau, in dem sich Büro- und Veranstaltungsräume sowie das Diözesanarchiv befinden, die Rottenburger Altstadt. Weil die vor allem aus verwinkelten Gässchen und eher kleineren Häusern besteht, war es dem Architekturbüro Lederer Ragnarsdottír Oei wichtig, mit einem großen Gebäudekomplex etwas Spannung gegen diese Kleinteiligkeit zu setzen. Außerdem sind klare Baukörper ein Kennzeichen barocker Architektur, die in dem ungewöhnlichen Gebäude immer wieder zitiert wurden. Das Ordinariat befindet sich nämlich zwischen dem Bischöflichen Palais, dem ehemaligen Jesuitenkolleg aus der Renaissance, und dem barocken Rohrhalder Hof. Hier stand bis 1808 die ebenfalls barocke Josephskirche der Jesuiten. Das sollte man sehen können. Das Ordinariat ist alles andere als ein Behördenbau aus Stahl und Beton, sondern traut sich eine moderne, an barocker Sakralarchitektur angelehnte Formensprache zu: Eine Kurie ist schließlich keine Kreissparkasse.

Das beginnt bereits mit der Gestaltung der Hauptfassade. Das fünfstöckige Gebäude schmückt ein sogenannter „gesprengter“ Giebel, in den sich ein Flachdach mit runden Oberlichtern einschiebt. Die nach außen gestülpten kastenförmigen Fenster sind dabei nicht nur ein echter Hingucker, sondern auch ein raffinierter „Rausgucker“: Durch das Anbringen von Spiegeln an der Fensterinnenseite bekommt man den Eindruck eines helleren Innenraums. Die Spiegelung lässt zudem den Blick nach außen weiter erscheinen.

Wie der anschließende, bogenförmig mit der Straße verlaufende lange Büroriegel ist die Hauptfassade mit Ziegelsteinen verblendet, wodurch die großen Außenflächen schön strukturiert werden. Dabei verwendete man nicht nur neu gebrannte Ziegel, sondern auch alte, die frisch aufgearbeitet wurden. Dieses Steinerecycling ist ökologisch sinnvoll, bringt auch eine erstaunliche Lebendigkeit in die Fassade und verfügt auch über einen starken Symbolwert, indem es den Neubau in einer historischen Dimension verankert.

Neben Ziegelsteinen finden sich an Baumaterialien Beton, Holz, Kupfer und Naturstein, die Innenwände wurden mit weißem Gips verputzt. Kein Gold, kein Marmor – das Gebäude sollte wertig und würdig aussehen, aber keinesfalls protzig.

Den Glanz bringt vor allem viel Tageslicht. Zum Beispiel flutet es durch die großen, nach außen gefalteten Fenster der Büroräume. Diese zickzackförmigen Fenster unterbrechen auch wohltuend die Monotonie des langen Gebäuderiegels.

Hier befindet sich auch der ebenfalls mit Tageslicht durchflutete Lesesaal des Diözesanarchivs mit vielen unterschiedlichen Besucherarbeitsplätzen.

Das Archiv selbst wurde unter die Erde verlegt. Dafür wurde eine etwa acht Meter tiefe Baugrube ausgehoben, nachdem das Gelände einer umfangreichen archäologischen Dokumentation zu der ehemaligen Jesuitenkirche unterzogen worden war. Jetzt passen auf die 4000 Quadratmeter große Fläche des neuen Archivs 18 Kilometer Regale. Die nehmen nicht nur die bestehenden Archivbestände auf, sondern vertragen auch noch Zuwachs – etwa 30 Jahre lang.

Die ganze Pracht, in der jetzt mehrere hundert Menschen sich über einen hellen, freundlichen und atmosphärisch angenehmen Arbeitsplatz freuen können, hat 39 Millionen Euro gekostet – inklusive kostspieliger Sanierungen im historischen Baubestand.

Man kann Geld sinnloser ausgeben. Andrea Bachmann

Das fünfstöckige Gebäude schmückt ein sogenannter „gesprengter“ Giebel. Bilder: Erich Sommer

Das fünfstöckige Gebäude schmückt ein sogenannter „gesprengter“ Giebel. Bilder: Erich Sommer