Großzügiges Kolleggebäude

Besondere Bauten in der Region: Bischöfliches Palais

03.06.2020

Das bischöfliche Palais in Rottenburg wurde vor sieben Jahren grundlegend saniert.

Das bischöfliche Palais in Rottenburg wurde vor sieben Jahren grundlegend saniert.

Wer in und um Rottenburg ein Loch in den Boden gräbt, steht sofort bis zum Hals in der Archäologie. Römische, keltische, alemannische, mittelalterliche Spuren schichten sich unterirdisch neben- und übereinander. Wenn irgendwo gebaut wird, gibt es manchmal die Chance auf einen kurzen Blick auf die Vergangenheit.

Deshalb weiß man, dass das Grundstück, auf dem das elegante Bischöfliche Palais der Diözese Rottenburg-Stuttgart steht, schon seit 7000 Jahren besiedelt war. Bandkeramikfunde, Grubenreste, ein sieben Meter tiefer Brunnen aus römischer Zeit, Reste von römischer und mittelalterlicher Stadtbefestigung traten ebenso zutage wie Kellergewölbe oder das Untergeschoss der Apsis der 1711 erbauten und 1787 bereits wieder abgebrochenen Jesuitenkirche, die den dritten Flügel der barocken Anlage bildete, in der heute ein Teil der Diözesanverwaltung untergebracht ist.

Das Palais ließen die Freiherren von Hohenberg 1657/58 erbauen, die Pläne für das Gebäude mit den markanten Staffelgiebeln gehen vielleicht auf den Vorarlberger Franz Beer zurück. Der war Schüler von Michael Thumb, dem Baumeister der Wallfahrtskirche im Weggental, und baute im Laufe seines Lebens zahlreiche Klöster und Kirchen in Süddeutschland, unter anderen die Reichsabtei Salem.

Bereits 1661 kaufte der Jesuitenorden das Palais und richtete dort seine Residenz und 1668 ein Kolleg ein.

Die Jesuiten hatten sich 1649 in Rottenburg niedergelassen, nachdem sie das Ende des 30-jährigen Krieges aus dem protestantischen Tübingen vertrieben hatte. Sie wohnten zunächst im Wernauer Hof in der Oberen Gasse und dann in einem Haus auf dem Ehinger Platz, bis sie knapp zehn Jahre später, 1658, in ihr neues Domizil zogen.

Neben der Seelsorge war Bildung ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit. 1650 hatten sie in Rottenburg bereits eine öffentliche Lateinschule gegründet, jetzt hatten sie mit dem Palais ein großzügiges Kolleggebäude, in dem 80 bis 100 Schüler unterrichtet wurden, die über ein eigenes Oratorium verfügten, also einen eigenen Gebetssaal.

Ein wichtiger Bestandteil jesuitischer Ausbildung war das Theaterspiel, das der religiösen Unterweisung diente. Die „geistlichen Komödien“ der Jesuiten erfreuten sich eines Publikums, das weit über Rottenburg hinausging. Im Ostflügel des Kollegs gab es einen zweistöckigen „Comediensaal.“

Der Konvent bestand zunächst nur aus drei Patres, bei seiner Aufhebung im Jahr 1773 lebten 18 Jesuitenpater in Rottenburg, die neben Predigt und Unterricht in der Umgebung von Rottenburg und im benachbarten Hohenzollern als Volksmissionare unterwegs waren und Exerzitien für Priester durchführten. Landesherrschaft, Adel und Bürgerschaft versorgten das Kolleg mit reichen Stiftungen, sodass das Gesamtvermögen des Kollegs bei seiner Auflösung stolze 366 900 Gulden Betrug, die dann in den österreichischen Regierungsfonds flossen.

Ihre Bibliothek kam an die Universität Freiburg, der übrige Besitz wurde verkauft oder versteigert und in das Kolleg zogen Teile der österreichischen Oberamtsverwaltung ein. Ende des 18. Jahrhunderts dienten Teile des Gebäudes als Militärlazarett. 1806 wurde das Gebäude württembergischer Behördensitz, die Kirche hatte man mittlerweile wegen angeblicher Baufälligkeit abgerissen. Als 1821 Rottenburg Bischofssitz wurde, zogen Bischof und Diözesanverwaltung in das ehemalige Jesuitenkolleg ein.

Seit sieben Jahren erstrahlt es nach einer grundlegenden Sanierung in neuem Glanz. Große Teile der Innenausstattung und die ursprüngliche Gebäudestruktur wurden behutsam wiederhergestellt und verbinden sich mit zeitgemäßer Technik und Infrastruktur zu einem architektonischen Schmuckstück, an dem die Baumeister aus dem Bregenzer Wald ihre helle Freude gehabt hätten. Andrea Bachmann

Das bischöfliche Palais in Rottenburg wurde vor sieben Jahren grundlegend saniert.

Das bischöfliche Palais in Rottenburg wurde vor sieben Jahren grundlegend saniert.