Stattliches Gebäude

Besondere Bauten in der Region: Rottenburger Zehntscheuer

03.08.2022

Die Zehntscheuer in Rottenburg ist seit fast 40 Jahren ein Kulturzentrum. Früher wurde dort Getreide gedroschen. Bilder: Erich Sommer

Die Zehntscheuer in Rottenburg ist seit fast 40 Jahren ein Kulturzentrum. Früher wurde dort Getreide gedroschen. Bilder: Erich Sommer

Seit 1983 sind die Rottenburger Zehntscheuer und die angrenzende Stadtmühle ein Kulturzentrum und bieten viel Raum für Konzerte und Ausstellungen. Es scheint fast unvorstellbar, dass dort, wo jetzt die „gute Stube“ der Rottenburger ist, einmal Getreide gemahlen und gedroschen wurde.

Seit wann genau es eine herrschaftliche Zehntscheuer in Rottenburg gibt, ist nicht bekannt. Die ältesten Nachrichten von einer solchen Einrichtung finden sich in den Hohenbergischen Jahresrechnungen. Dort werden im Jahr 1392 ein „schürenmayseter“ und ein „schurenknecht“ erwähnt, eine Rechnung über Ausbesserungsarbeiten stammt von 1405.

Diese Zehntscheuer wurde 1431 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der 1580 einem weiteren Gebäude weichen musste, das beim großen Stadtbrand am 19. August 1644 ein Raub der Flammen wurde. Bereits ein Jahr später schon wurde die heutige Zehntscheuer errichtet.

1806 kam Rottenburg an Württemberg. Vierzehn Jahre später verpachtete das Land die Zehntscheuer an die Stadt, die sie 1850 für 4255 Gulden erwarb. Die wollte aus dem stattlichen Gebäude eigentlich so schnell wie möglich eine Schule machen, aber noch bis in die 1870er-Jahre wurde im Winter in der Scheune gedroschen. Erst 1910 war der Ausbau für die Gewerbeschule fertig, die dann bis 1958 bleiben sollte.

Fast zur selben Zeit, nämlich 1903, zeigte man in der Zehntscheuer erstmals die „neuesten Funde aus der Steinzeit“ des Sülchgauer Altertumsvereins und eröffnete 1906 das Sülchgau-Museum. Es wurden die Sammlungen des 1852 gegründeten Sülchgauer Altertumsvereins gezeigt, die vor allem der Rottenburger Arzt und Heimatforscher Franz Paradeis zusammengetragen hatte. 1934 brauchte die Gewerbeschule den Platz und das Museum zog für einige Jahre aus, 1964 kehrte es wieder zurück.

Ab 1890 nutzte die Feuerwehr die große Halle als Gerätemagazin und hielt im ganzen Gebäude Großübungen ab.

1981 begannen die Sanierungsarbeiten, die die Rottenburger Zehntscheuer mitsamt der Stadtmühle in ein Kulturzentrum verwandeln sollten. Die Architekten waren Olaf und Ursula Appel, finanziert wurde das Projekt mit dem Verkauf der Gewerbeschule an den Landkreis Tübingen und mit staatlichen Zuschüssen. Bei der Sanierung wurde darauf geachtet, die alte Struktur und Substanz soweit wie möglich zu erhalten. So sind zum Beispiel im hinteren Saal – in der ehemaligen Stadtmühle – die mächtigen Eichenstützen mit den behauenen Köpfen und Bügen ein prägendes Gestaltungselement.

Von außen wirkt das Gebäude so schlicht, wie es sich für eine ehemalige Scheune gehört. Mit der behutsamen Sanierung, die den funktionalen Charakter des Gebäudes betonte, wollte die Stadt einen Impuls für die weitere Altstadtsanierung und Denkmalpflege setzen.

Zwei Doppeladlerreliefs an der Ost- und an der Nordseite erinnern daran, dass die Stadt und damit auch die Zehntscheuer 425 Jahre lang zu Österreich gehörte. Der Doppeladler am Ostgiebel stammt von der 1857 abgebrochenen ehemaligen Herrschaftskelter an der Schütte. Neben den Fängen des Adlers kann man die Initialen J.St.f. erkennen – Johannes Staiger fecit. Staiger war Bildhauer in Rottenburg und ist vor 1768 gestorben.

Seit dem Jahr 2006 wird im Sülchgaumuseum in der Zehntscheuer die vorderösterreichische Geschichte der Stadt thematisiert. Andrea Bachmann

Das Doppeladlerrelief an der Zehntscheuer erinnert daran, dass Rottenburg 425 Jahre lang zu Österreich gehörte.

Das Doppeladlerrelief an der Zehntscheuer erinnert daran, dass Rottenburg 425 Jahre lang zu Österreich gehörte.