Fromme und reiche Besitzer

Besondere Bauten in der Region: Schloss Roseck

Im Landkreis Tübingen gibt es sicherlich größere, schönere und vor allem besser erhaltene Schlösser und Herrenhäuser als Schloss Roseck. Das thront dafür besonders idyllisch hoch über dem Ammertal. Und kaum ein anderes Schloss hat eine so lange und bewegte Geschichte hinter sich.

19.06.2019

Die Zukunft von Schloss Roseck ist ungewiss. Bilder: Erich Sommer

Die Zukunft von Schloss Roseck ist ungewiss. Bilder: Erich Sommer

Im 13. Jahrhundert bauten die Pfalzgrafen von Tübingen eine Burg, die sie 1287 dem ersten Habsburgerkönig Rudolf vermachen mussten. Über Umwege gelangte der Besitz zusammen mit dem Dorf Unterjesingen von 1410 bis zur Reformation an das Kloster Bebenhausen, das hier einen Pfleghof für die Dörfer im Ammertal einrichtete.

Die längste Zeit seiner Geschichte gehörte Roseck zu Württemberg. Die Herzöge von Württemberg bauten die Burg zu einem Schloss um, vermutlich bereits im 16. Jahrhundert.

Ab 1824 war das Schloss in Privatbesitz. Der erste Eigentümer, ein Hofrat Sick aus Stuttgart, ließ die heruntergekommenen Schlossgebäude wieder herstellen und vergrößerte das Gut. Danach gehörte es Ökonomieräten, Bankdirektoren, Seifenfabrikanten oder Millionärssöhnen, die hier ihre Sehnsucht nach einem Leben als Schlossherr stillen konnten. Zwischendurch nutzte es auch einmal ein Landwirt, der hier Milch- und Obstwirtschaft betrieb, bis er beschloss, in die Politik zu gehen und Landtagsabgeordneter in Stuttgart wurde.

Der Seifenfabrikant muss ein frommer Mann gewesen sein. Er ließ 1924 im Schlossgarten eine Marienkapelle errichten und stattete sie mit einer Madonna aus dem 16. Jahrhundert und einem Altarbild des heiligen Franziskus aus dem 18. Jahrhundert aus. 1947 nahm er sich den Mann aus Assisi, der all seine Habe unter den Armen verteilte, auf besondere Weise zum Vorbild: Er schenkte Roseck einem Franziskanerinnenkloster. Die frommen Frauen zogen in das Schloss ein, bestellten das dazugehörige landwirtschaftliche Gut und bauten 1958 ein Genesungsheim. Dreißig Jahre später verpachteten sie die Anlage an ein franziskanisches „Lebenszentrum“, das von einer Gesellschaft namens „Kleine Diener Jesu“ betrieben wurde. Die blieben nicht lange: Ein gutes Jahr später wurde dem Leiter der Einrichtung ein Verfahren wegen Kindesmissbrauch angestrengt. Ins Schloss zogen jetzt Asylbewerber.

Nachdem ein Suchtkranker im Vollrausch Feuer gelegt hatte, brannte das Schloss 1991 aus und wurde unbewohnbar. Die Franziskanerinnen ließen das Dach neu decken, aber das Gebäude blieb leer stehen, auch als es 1993 wieder in Privatbesitz wechselte.

Nur das von den Schwestern als Genesungszentrum errichtete Nebengebäude wurde als Pflegeheim genutzt, dem aber 2012 das Landratsamt Tübingen die Betriebserlaubnis entzog. 2014 kaufte es der gegenwärtige Noch-Eigentümer für die stolze Summe von etwa 6,3 Millionen Euro.

Man plante Großes: Die historische Gesamtanlage mit Schlossgebäude und Mauerhäusern sollte denkmalschutzgerecht saniert und modernisiert werden und dem Schlossherren als privates Domizil dienen. Der hat es sich aber jetzt wohl anders überlegt und sich ein größeres, schöneres Schloss auf der Schweizer Bodenseeseite gekauft. Was jetzt aus Schloss Roseck wird, weiß niemand. Vielleicht findet sich ja noch einmal ein frommer Seifenfabrikant. Andrea Bachmann

Hoch über dem Ammertal thront Schloss Roseck mit architektonisch reizvollen Details.

Hoch über dem Ammertal thront Schloss Roseck mit architektonisch reizvollen Details.