Jede Menge Engelsköpfe

Besondere Bauten in der Region: Wallfahrtskirche Weggental

11.03.2020

Die barocke Weggentalkirche bei Rottenburg liegt idyllisch im Grünen. Bilder: Erich Sommer

Die barocke Weggentalkirche bei Rottenburg liegt idyllisch im Grünen. Bilder: Erich Sommer

Ein Remmingsheimer Bauer nahm eines Abends auf seinem Heimweg von Rottenburg eine kleine aus Holz geschnitzte Muttergottes aus einem Bildstock im Weggental mit und brachte sie seinen Kindern als Spielzeug. Tags darauf fand sich die kleine Figur jedoch wundersamerweise wieder an ihrem alten Platz. Der Bauer unternahm noch einige Versuche, das Madonnenbildnis aus dem Bildstock zu entfernen, doch jedes Mal kehrte es ins Weggental zurück.

Die unerhörte Begebenheit sprach sich herum und immer mehr Menschen kamen ins Weggental, um sich die kleine volkstümlich-derbe Pietà aus Holz anzuschauen, die sich laut Legende nicht zum Kinderspielzeug degradieren lassen wollte. 1517 wird zum ersten Mal eine Wallfahrt erwähnt und vier Jahre später wird eine erste Wallfahrtskapelle geweiht.

Von 1653 bis 1773 betreuten Jesuiten die Kapelle im Weggental. Sie sorgten gut für die kleine Wallfahrt, gründeten Bruderschaften und hielten sorgfältig alle Wunder in ihren Annalen fest, waren diese doch das beste Mittel, möglichst viele Pilger anzuziehen: 1673 wurde über ein gelähmtes Mädchen berichtet, es hätte sich während der heiligen Messe plötzlich aufgerichtet, seine Krücken fortgeworfen und sei völlig ungehindert seines Wegs gegangen.

Finanzielle Zuwendungen flossen daher reichlich und so konnte zwischen 1682 und 1695 die heutige Wallfahrtskirche erbaut werden. Als Baumeister verpflichteten die Jesuitenpatres Michael Thumb aus Au im Bregenzer Wald, einen der führenden Kirchenbauer der damaligen Zeit und Begründer der „Vorarlberger Schule“. Typisch für diesen Baustil sind zum Beispiel die vollkommen symmetrischen Ost- und Westgiebel.

Wer die barocke Kirche betritt, den erwartet ein erstaunlich schlichter und heller Innenraum. Die rein weißen Stuckaturen an den Kapitellen lohnen einen aufmerksamen Blick: Zwischen üppigen Pflanzenmotiven blicken jede Menge Engelsköpfe auf den Betrachter herab. Die sind meisterhaft gestaltet, jeder Kopf sieht anders aus. Lauter kleine himmlische Individuen mit Stupsnase und Löckchen oder mit ernstem Blick und strähnigem Haar, pausbäckig oder zart, mit naivem oder abgeklärtem Gesichtsausdruck. Ob der Italienische Stuckateur Prospero Brenner sämtliche Rottenburger Kinder dafür Modell sitzen ließ, ist nicht überliefert. Möglich wäre es.

Nach dem Ersten Weltkrieg berief man 1919 eine Gruppe Franziskaner ins Weggental. Das war die erste Neuzulassung eines Männerklosters seit der Säkularisation 1803.

Die Brüder wohnten zunächst in dem kleinen, 1773 erbauten, barocken Mesnerhäuschen neben der Kirche, dessen Erdgeschoss obendrein noch als Schaf- und Ziegenstall diente. Erst in den 1960er-Jahren wurde der heutige Klosteranbau geschaffen. Im Mesnerhaus richtete man die Emmaus-Kapelle ein, in der die Patres und Brüder ihre Gebete verrichten. Während die Kapelle selbst von moderner franziskanischer Schlichtheit geprägt ist, wurden die Außenwände des „Zwergenhauses“ von einem Maler aus Calw 1962 himmelblau und zuckersüß bemalt.

Die Franziskaner verließen 2016 das Weggental, wo sich bis heute Gläubige zu Maiandachten und Rosenkränzen zusammen finden, wo in der Weihnachtszeit die berühmte Weggentaler Weihnachtskrippe bestaunt werden kann und wo immer wieder besondere Konzerte stattfinden.

Bis 2019 übernahmen zwei Karmeliterpatres aus der indischen Provinz Andhra-Pradesh die Betreuung der Wallfahrt, zur Zeit sorgen zwei Priester aus Tansania und Nigeria dafür, dass das Weggental ein lebendiger Wallfahrtsort bleiben kann. Andrea Bachmann

Das hier ist das Mesnerhaus.

Das hier ist das Mesnerhaus.

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Erstellt:
11.03.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 11.03.2020, 01:00 Uhr

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