Aus der Luft und zu Fuß (12)

Bierlingen

„Unser Dorf soll schöner werden“ nahmen sich die Bierlinger Anfang der 1970er-Jahre vor. Sie hatten wohl allen Grund dazu: Der Ort, der bis 1972 noch zum Kreis Horb gehörte und erst nach der Kreisreform zum Landkreis Tübingen kam, galt als einer der rückständigsten der Region: Bis Ende der 1960er-Jahre verfügten die Bierlinger noch nicht einmal über eine öffentliche Kanalisation mit Anschluss an eine Kläranlage.

03.01.2018

Von Andrea Bachmann

Bild: Erich Sommer

Bild: Erich Sommer

Rund 100 Jahre vorher hatte die Ortsbeschreibung noch deutlich vielversprechender geklungen: „Auf der Hochebene zwischen den Thälern des Neckars, der Starzel und der Eyach liegt frei und hoch mit ausgedehnter und schöner Fernsicht der freundliche, von Ost nach West in die Länge gedehnte Ort, der mit wenigen Abweichungen gleichsam nur eine Straße bildet“, heißt es über Bierlingen in der Oberamtsbeschreibung für das Oberamt Horb im Jahr 1865. Zu dieser Zeit hatte Bierlingen knapp über 800 Einwohner/innen, heute sind es deutlich mehr als 1200.

Das erklärte Ziel „Dorfverschönerung“ änderte das rückständige Ortsbild rasant. 1971 wurde das Schiff der St. Martinus-Kirche abgerissen. Es fehlte eine Heizung, die Risse in den Wänden waren immer größer geworden, die Männer nahmen auf rohen gezimmerten Holzbalken auf der Empore Platz und insgesamt fehlte es an Platz und Ambiente. 1973 konnte das neue Kirchenschiff eingeweiht werden.

Die Kirche wurde Vorreiter einer ganzen Reihe von Sanierungsmaßnahmen und Mitte der 90er-Jahre stand die komplette Ortsmitte mit Zehntscheuer, Rathaus, Kirche und Brunnen so schmuck da wie nie zuvor – ein wahres Musterbeispiel dörflichen Bauens. 1995 gab es dafür den Spitzenplatz beim Dorfverschönerungswettbewerb und heute ist der größte Teilort der Gemeinde Starzach eine blühende Landschaft – auch was das Dorfleben angeht.

Ein Trachtenverein und ein Musikverein sorgen für Traditions- und Brauchtumspflege, der Narrenzunft Moofanger gehören mehr als 230 Mitglieder an. Sogar einen Weltrekord hält Bierlingen: Gerold Weschenmoser hat in seiner Scheuer die weltweit größte Sammlung an Miniaturfasnetsmasken ersammelt. Die etwa 6000 Exponate, die von schwäbisch-alemannischen Mini-Larven bis zu originalen Fasnetsmasken aus dem Elsass, der Schweiz und Tirol reichen, können in einem kleinen Privatmuseum besichtigt werden.

Besichtigen kann man zu Ostern auch eine Art Theaterkulisse in der Kirche, die den Eindruck erweckt, man befinde sich in einem prachtvoll ausgestatteten Grab, in dem mehrere Bildergruppen vom Leiden und Sterben Jesu erzählen.

843 wurde der Ort zum ersten Mal erwähnt, weil er an das Kloster auf der Bodenseeinsel Reichenau verschenkt wurde. Im Laufe der Zeit kam Bierlingen an die Grafen von Zollern, an die Grafen von Württemberg und an die Freiherren von Ow-Wachendorf. Von 1807 bis 1837 war der Ort Teil des Oberamtes Horb. Von einer Kirche samt dazugehöriger Pfarrei weiß man seit 1275.