Der Kommentar

Strom sparen als Sisyphosarbeit

14.09.2022

Von Angelika Brieschke

Bis vor kurzem war ich mir ohne Zweifel sicher: Ich bin die rechtmäßige Nachfolgerin von Sepp Wais.

Der vor einigen Jahren in Rente gegangene TAGBLATT-Redakteur Sepp Wais war – neben vielem anderen – zuständig für das Sachgebiet „Umwelt“. Jahrelang schrieb Sepp geduldig, verständlich und mit unvermindertem Nachdruck über lokale Begebenheiten, bei denen es meist um den problematischen Umgang unserer Gesellschaft mit der Natur ging und leider eher selten um positive Umwelt-Erfolgsgeschichten. Sepp war also quasi das schreibende Umweltgewissen der Redaktion.

Aber nicht nur das. Er lieferte auch täglich ein stilles Statement für Umweltschutz in der Redaktion ab: Sepp knipste beim Gehen über den Redaktionsflur immer jedes unnötige Licht aus. Zum Beispiel das, das in unserer fensterlosen Zwei-Quadratmeter-Küche irritierenderweise immer an ist. Obwohl da gar keine Tür im Weg ist und vom Flur her genügend Licht in den Winzig-Raum fällt.

Dieses Ritual habe ich übernommen. Jedes Mal, wenn ich an dem Küchenkabuff vorbei komme – und das ist gar nicht so selten – mache ich das Licht aus. Nicht ohne mich darüber zu wunderen, warum dieses Licht eigentlich schon wieder an ist. Die Schalterübung hat durchaus sisyphoshafte Züge. In der Wiederholung liegt die Kraft, lüge ich mir in die Tasche und tröste mich mit der Sepp-Wais-Nachfolge-Medaille, die mir leider noch niemand verliehen hat.

Im Gegenteil. Da hat doch neulich bei einer „Wie-kann-man-Energie-sparen“-Diskussion in der Redaktion unser Chef vom Dienst im Nebenher erzählt, dass er, da sein Büro ja direkt gegenüber der Küche liege, dort ständig das Licht ausschalte. Er sei, erklärte er dabei im Brustton der Überzeugung, somit „der rechtmäßige Nachfolger von Sepp Wais“.

Aua, dachte ich. Da könnte es eng werden mit der Redaktions-Umweltplakette für mich. Dann aber ist mir zum Glück eingefallen, dass gegenüber meinem Büro ja das fensterlose Zeitungs-Zimmerchen liegt, das genauso wie unsere Kleinstküche ständig unter angeschaltetem Licht leidet. Auch das knipse ich immer wieder aus.

Also Hans: Was sagst Du nun?