Aus der Luft und zu Fuß (17)

Bühl

Die vermutlich berühmteste Bewohnerin von Bühl kann man im Kilchberger Schoss besuchen: Dort hängt ein Bild von einer jungen Frau in einem schwarzen Kleid, die ein Kartenspiel in der Hand trägt.

14.02.2018

Von Andrea Bachmann

Bild: Erich Sommer

Bild: Erich Sommer

Das Fräulein von Bühl ist ein Gespenst. Sie soll in einer Nacht im Schlosssaal zu Bühl ihr gesamtes Vermögen am Kartentisch verspielt haben, zu dem auch die Ortschaften Kilchberg und Bühl gehörten. Seitdem findet sie keine Ruhe mehr und geistert auf der Suche nach jenseitigen Spielpartnern durch die Gegend: „Und was ist dir noch geblieben? Nicht Bühl und Kilchberg dort drüben. Die Karten, damit du magst wandern, von einem Hause zum andern“, dichtete man im 19. Jahrhundert.

Andere Bühlerinnen waren da vernünftiger. Anna von Stein zum Beispiel, deren Grabmal noch heute in der evangelischen Kirche in Bühl zu sehen ist. Sie zog als junge Witwe 1542 mit sieben Kindern nach Bühl und blieb dort 50 Jahre, zwölf davon war sie die Herrin des Ortes. Als gute Verwalterin rundete sie ihren Besitz durch allerlei Grundstücksgeschäfte ab und bewirtschaftete ein größeres Hofgut. Einer ihrer jüngeren Söhne, David von Stein, übernahm die Bühler Herrschaft. Besondere Verdienste erwarb sich der kunstsinnige junge Mann bei der Umgestaltung des Bühler Schlosses. In nur vier Jahren verwandelte er, so schreibt es jedenfalls der Nachbar Georg von Ehingen, sein „schlecht maier oder pura haus“, vermutlich ein Bauernhaus aus Fachwerk, in ein „frei eigen Schloss“, dessen Renaissanceformen noch heute beeindrucken. Bereits 1555 war das Schloss mit den sorgfältig ausgestatteten Innenräumen und dem schönen Schlossgarten fertig. Über die Jahrhunderte wechselte es immer wieder die Besitzer. 1980 ersteigerte es eine Gruppe Tübinger Bürger, sanierte und richtete dort Eigentumswohnungen und ein psychotherapeutisches Ausbildungszentrum ein. Der Garten wurde in ein zauberhaftes Schmuckstück verwandelt. Wenn im Sommer dort eine der TAGBLATT-Gutenachtgeschichten stattfindet, sind ganz Bühl und halb Tübingen zu Gast.

David von Stein war ein überzeugter Protestant und richtete nicht nur die 1900 abgerissene Kirche „evangelisch“ ein, sondern holte auch einen evangelischen Prediger ins Pfarrhaus. Sein Nachbar Georg von Ehingen, dem die andere Hälfte von Bühl als österreichisches Lehen gehörte, schaute acht Jahre zu, sorgte dafür, dass diejenigen seiner altgläubigen Schäfchen, die nicht nach Kilchberg in die Kirche kommen konnten, jeden Monat von einem Priester eine Messe gelesen bekamen und trat schließlich selbst der neuen Lehre von diesem Dr. Martin Luther bei. In den folgenden Jahrhunderten wechselte mal ganz, mal halb Bühl die Konfession, wobei der Bühlertalbach die Konfessionsgrenze markierte.

Der Bach ist das Herzstück des an Bühl grenzenden Naturschutzgebietes Bühler Tal. Im Bach schwimmt das überaus seltene Neunauge, in den Nasswiesen quaken Gelbbauchunken und am Bachufer wachsen Trollblumen. Die wirken gegen Skorbut und waren deshalb wahrscheinlich fester Bestandteil der Reiseapotheke von Georg von Ehingen, dessen „Reisen nach der Ritterschaft“ um die halbe damals bekannte Welt führten.