Von Abba bis Zappa

Das Panzerballett präsentiert im Reutlinger franz.K ein Konzert der besonderen Art

Selbst eingefleischten Jazzfans macht es einen Heidenspaß, sich vom alles vereinnahmenden Kraftstrom dieser Band mitreißen zu lassen: Das Panzerballett aus München macht Musik, bei der sich Wiedererkennungseffekt und Staunen die Waage halten.

21.10.2020

Das Panzerballett hat einen verwegenen Stilmix aus Heavy Metal und Art-Jazzrock. Bild: Jürgen Spieß

Das Panzerballett hat einen verwegenen Stilmix aus Heavy Metal und Art-Jazzrock. Bild: Jürgen Spieß

„Da ich ständig wütend auf etwas bin, gründete ich 2004 diese Band“, erzählt der studierte Gitarrist und Komponist Jan Zehrfeld, „denn hier kann ich meine Aggressionen gut kanalisieren.“ Dabei sehen er und die anderen vier Konservatoriumsabsolventen aus München, Linz und Salzburg richtig harmlos aus. Doch sobald sie ihre Instrumente zur Hand nehmen, bricht ein wahres Höllengewitter über das Publikum herein. Dann vibriert der Brustkorb und die Ohren klingeln. Dann werden respektlos musikalische Regeln gebrochen, brachiale Hardrock-Klischees bemüht, dem Jazz flinke Beine gemacht. Nun haben die fünf Musiker gerade ihr siebtes Studioalbum mit dem Titel „Planet Z“ veröffentlicht, das sie im franz.K vorstellen werden.

Entstanden ist wieder ein verwegener Stilmix zwischen wummerndem Heavy Metal, rhythmischen Staccato-Attacken und funkigem Art-Jazzrock, den Jan Zehrfeld als „Headbangen mit Köpfchen“ bezeichnet. Lustvoll und mit viel Humor gehen der Gitarrist, Joe Doblhofer (Gitarre), Alexander von Hagke (Saxofon), Heiko Jung (Bass) und Sebastian Lanser (Schlagzeug) zur Sache. Das Vertrackte wird bei diesen ausgewiesenen Krachmachern polyrhythmisch aufgeladen, mit rhythmischem Maschinenfeuer und explosionsartigen Gitarren- und Saxofonsoli beschossen, nur um dann wieder ironisch gebrochen zu werden. Übrig bleibt eine kunstvoll und schräg arrangierte Musik, zu der man gerne tanzen würde, wenn einen die Corona-Pandemie und die ständigen Taktwechsel nicht daran hinderten.

Nach mehreren Jahren der Suche trommelte der studierte Gitarrist und Komponist Jan Zehrfeld 2004 einige Musiker zusammen, mit denen er seine Vorstellung von Jazz- und Metal-inspirierter, komplexer Musik umsetzen konnte. Ein Jahr später veröffentlichte Panzerballett ihr erstes gleichnamiges Album, dem bis heute acht weitere CDs folgten. Im August 2016 trat die Band aus München erstmals bei dem bekannten Wacken Open-Air auf. Einen solch fein austarierten Klang hatten die Heavy-Metal-Fans nicht erwartet, dabei dröhnten die Eigenkompositionen mit viel Dynamik aus den riesigen Lautsprecherboxen. Schräge, verzerrte, teils vom Gitarristen und Saxofonisten gleichzeitig vorgetragene Akkordschleifen gab es da zu hören, die intonationssicher gespielt wurden.

Die Musik von Panzerballett hat sich ein ganz eigenes, unverwechselbares Koordinaten- und Bezugssystem geschaffen, in dem Substanz klischeefrei überwintern kann und aus dem die Lust am Leben nur so fließt. Dabei hat das Panzerballett mit Heavy Metal soviel gemein wie weiland Frank Zappa mit Jazz. Und wie den unbequemen Klangerneuerer aus den USA scheint sie das nicht weiter zu stören: Durchkomponierte Motive werden da übereinander geschichtet, banale Klänge rhythmisiert. Das Quintett aus München tut das mit der brachialen Egomanie eines totalitären Herrschers, der das Feinsinnige tilgen will und deshalb Klischee auf Klischee schichtet. Und wenn es zwischendrin mal für Sekunden etwas stiller wird, heißt es nach kurzer Zeit schon wieder sich festhalten, damit einen die nächste Attacke nicht hinwegfegt.

Das Panzerballett wischt alle Zweifel, ob diese Art Musik für ein Jazzpublikum geeignet ist, mit kompromissloser Spiellust hinweg. Jeder greift energisch zu, Bassist Heiko Jung, der erst vor zwei Jahren hinzugestoßene Gitarrist Joe Doblhofer, Saxofonist Alexander von Hagke und natürlich Teufelsgitarrist Jan Zehrfeld, von dem die meisten Eigenkompositionen stammen. Hauptsache, es funkt, swingt und groovt. Jürgen Spieß

Das Panzerballett spielt am 22. Oktober, 20 Uhr im Reutlinger franz.K.

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Erstellt:
21.10.2020, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 21.10.2020, 01:00 Uhr

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