Der Kommentar

Das Regal als Erlebnis

31.01.2018

Von Philipp Schmidt

Es ist ein landesweites Problem – sofern man es als Problem sieht. Langsam sterben die Buchläden aus. Tübingen ist (noch nicht) so stark betroffen, aber wir sehen einen Wandel. Das liegt am wachsenden eBook-Markt, aber auch an einem medial-kulturellen Wandel. Zu Feiertagen werden immer mehr Gutscheine für Amazon verschenkt als Bücher. Ist es also der Zeitgeist, dem die Buchhändler hilflos ausgeliefert sind? Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht so ist, und dass die Strategien gegen den vermeintlich unaufhaltsamen Prozess grundfalsch sind.

Was erwartet den Besucher aktuell in großen Buchhandlungen? Vor allem zwei Dinge: Viele Produkte, die keine Bücher sind – als würde sich ein Buchladen schämen, nur Bücher zu verkaufen – und die gesamte Mainstream-Palette. Sämtliche Titel der Bestsellerlisten und die dafür gleich mehrfach im Regal. Lieber auf Nummer sicher gehen, bloß keine Experimente mit unbekannten Autoren, die teuren Platz kosten und zu Ladenhütern werden könnten. Aber worin liegt dann eigentlich das Erlebnis beim Besuch eines Buchladens? Der Kunde sieht das, was ihm zuhause am PC ohnehin als Lektüre vorgeschlagen wird. Wieso sollte er dann überhaupt das Haus verlassen und nicht gleich bequem von Zuhause aus bei Amazon & Co. bestellen?

In unserer schnelllebigen Zeit ist es eine verbreitete Angst, rückständig zu wirken. Bloß nicht konservativ scheinen. Aber der Buchladen ist eine konservative Institution, und er täte gut daran, sich auf seine alten Stärken zu besinnen. Der Mehrwert für den heutigen Kunden muss darin bestehen, dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, etwas Neues zu entdecken. Wie früher sollte seine Neugier und sein Entdeckungsgeist angestachelt werden. Das bedeutet: Weg vom Mainstream, mutigere Sortimente in allen Genres. Wenn ich vor einem Regal stehe und die Titel auf den Rücken betrachte, muss ich doch etwas finden können, das ich nicht schon kenne, damit ich ein Buch in die Hand nehme und den Klappentext lese. Wenn dann noch ein Mitarbeiter des Buchladens kommt und mir sagt: „Ist mal etwas ganz anderes, diesen unbekannten Autor kann ich wärmstens empfehlen“, dann habe ich einen Zugewinn und weiß, warum ich das Haus verlassen habe. Also bitte: Back to the roots. Das Alte muss nicht immer schlecht sein.

Zum Artikel

Erstellt:
31.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 31.01.2018, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen