Laufen ohne Stress

Der Kirnberglauf in Lustnau kennt keine Sieger

Kirnberglauf – der etwas andere Lauf. In Lustnau gibt es keine Siegerehrung, Gewinner ist jeder und jede, der oder die ins Ziel kommt – oder auch nicht.

10.04.2019

Start Kirnberglauf, rechts Mischa Elbeshausen, schnellster auf 21 Kilometer. Bild: Werner Bauknecht

Start Kirnberglauf, rechts Mischa Elbeshausen, schnellster auf 21 Kilometer. Bild: Werner Bauknecht

Mit 672 Teilnehmern auf ihren drei Strecken gelang den Machern vom Lustnauer Kirnberglauf eindrucksvoll der Startschuss in die diesjährige Laufsaison.

Stimmung, Läuferzahl und viel Lob der Teilnehmer zeigen, dass der Kirnberglauf mittlerweile zu den Laufklassikern der Region gehört. Dabei gibt es nicht mal eine Siegerehrung, weil es, im eigentlichen Sinne keine Sieger oder Siegerinnen gibt. Oder, anders ausgedrückt: Hier trifft tatsächlich mal zu, dass jede/r Teilnehmer/in ein Sieger ist. Natürlich gibt es den oder die Schnellsten, aber das ist dann deren Privatvergnügen.

Zum Beispiel das von Mischa Elbeshausen vom Tübinger Laufladen. Der kam auf der kantigen Halbmarathonstrecke nämlich nach bereits 1:25:53 Stunden durchs Ziel. Sein weibliches Pendant war die Ultraläuferin Pamela Veith aus Kusterdingen. Die brauchte auch bloß 1:37:50 für die 21 harten Kilometer. „Ich wollte vor einer Woche einen 50er laufen“, erzählt sie beim Auslaufen, „und dann kam eine blöde Erkältung.“ Also sagte sie den langen Lauf ab und kam stattdessen nach Lustnau. Zum Glück, meint sie. „Ich war heute vier Minuten schneller als vor zwei Jahren, und es hat auch noch Riesenspaß gemacht.“

Fast wäre es nicht zu dem Riesenspaß gekommen. Hat man den Kirnberglauf doch schon zum Baustellenlauf erklärt, weil die Lustnauer Turnhalle gerade generalsaniert und umgebaut wird. Da bleibt wenig Platz im Start-/Ziel-Bereich vor der Halle und vor allem: Eingeschränkte sanitäre Anlagen und nicht einmal ein gescheiter Saal für die Anmeldeaktionen. „Aber absagen kam für uns nie in Frage“, sagte Lauftreffleiter des TSV Lustnau, Jörg Stumpf, „dazu liegt uns der Lauf viel zu sehr am Herzen.“ Der ehemalige 1. Vorsitzende des TSV, Albert Füger, lobt vor allem das Entgegenkommen der evangelischen Kirchengemeinde. „Wir durften ihr Gemeindehaus benutzen, das haben sie uns gleich angeboten.“ Und das ist gleich vis à vis von der Sporthalle. Und perfekt geeignet für den bürokratischen Teil des Laufs.

Der Lauftreff Hirschau hatte sein Marathontraining für Kopenhagen kurzerhand geändert, die Marathonis machten ihre Einheit auf dem Kirnberglauf. Es gab zahlreiche Anmeldungen von Tübinger Firmen. Uwe Jansen zum Beispiel war mit den Mitarbeitern seiner Schreinerei am Start. Er selbst ist alter LAV-Stadtwerke-Tübingen-Läufer. Aber vor der 21-Kilometer-Strecke hat er Respekt. „Wenn es dann am Steinbruch hinten hoch geht – mein lieber Mann, da will ich mal sehen, wie es mir geht“, sagte er am Start. Den wiederum nahm Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer in die Hand. Er wäre selber gerne gelaufen, verkündete er. Manche wollten’s ihm nicht glauben und feixten herum. „Doch, ehrlich“, verteidigte er sich und zeigte auf den Fuß, „ich habe Probleme mit der Achillessehne.“ Dann gab er den Startschuss für die 7-, 12,5- und 21-Kilometer-Strecken.

Ach ja, die Team-Challenge gab es nicht dieses Jahr. Es gab kein Gelände wegen der Baustelle und keine Duschen. Und überhaupt: „Ich weiß nicht so recht, ob das in die Veranstaltung passt“, so Füger. Aber der AOK-Kids-Cup fand statt mit 115 Kindern, und auch die Walker hatten zwei Strecken mit 7 und 12,5 Kilometer. Am Ende hatten die Lustnauer eine perfekte Organisation trotz Baustelle abgeliefert. Und nächstes Jahr ist die Halle wieder einsatzbereit. Von wegen Baustellenlauf.

Tatsächlich ist der Lauf höchst anspruchsvoll, aber wer Natur genießen will und nebenher, beim Laufen, auch einem Schwätzchen nicht abgeneigt ist – der muss am Kirnberglauf mitmachen. Denn sich quälen oder nicht – das ist immer auch eine Frage des Ehrgeizes. Und des eingeschlagenen Tempos. „Hier muss keiner schnell rennen“, sagt Stumpf, „Spaß haben aber schon.“ Und wenn so ein Anstieg mal zu steil oder zu lang ist – dann spaziert man ihn eben hoch. Werner Bauknecht