Zwischen Kurzarbeit und Homeoffice

Der Rechtsanwalt Stefan Rein über die Rechte von Arbeitnehmern in der Coronakrise

Stefan Rein ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und arbeitet seit 2010 im Team der Tübinger Kanzlei „Dr. Kroll & Partner“. Wir befragten den 43-Jährigen zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Arbeitnehmer und ihre Chefs.

25.03.2020

Stefan Rein weiß, wie das Arbeitsrecht auf die aktuelle Coronakrise angewandt werden muss. Bild: Dennis Duddek

Stefan Rein weiß, wie das Arbeitsrecht auf die aktuelle Coronakrise angewandt werden muss. Bild: Dennis Duddek

TAGBLATT ANZEIGER: Wann dürfen Arbeitnehmer/innen zuhause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen?

Stefan Rein: Wenn das Kind krank oder noch so klein ist, dass es nicht alleine bleiben und auch nicht von einer anderen Person betreut werden kann, dürfen Arbeitnehmer für einen überschaubaren Zeitraum zuhause bleiben.

Kann ich gekündigt werden, wenn mein Betrieb wegen des Coronavirus insolvent ist?

Ja! Wenn der Betrieb bedroht ist und keine Auslastung mehr hat, dann kann ich gekündigt werden. Um diese Kündigung möglichst zu verhindern, gibt es die Kurzarbeit. Diese soll die Zeiträume überbrücken, in denen keine Aufträge eingehen.

Welche Sanktionen drohen den Inhabern von Fachgeschäften, die jetzt immer noch geöffnet haben?

Wer sich einem entsprechenden Verbot widersetzt, begeht zumindest eine Ordnungswidrigkeit, die dann mit einem Bußgeld sanktioniert werden wird.

Wer ersetzt Arbeitnehmern den Lohnausfall als Folge des Coronavirus?

Nur wenn gewisse Arbeiten verboten werden, haben die davon betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Der Arbeitgeber würde dieses Geld dann vom Staat wieder erhalten. Ein solches Verbot gibt es allerdings bis jetzt noch nicht. Allein das Verbot, einen Laden zu öffnen, stellt noch kein solches Tätigkeitsverbot dar. Leider.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, um in dieser Krise ihre Firma zu retten?

Zunächst muss man schauen, ob die Arbeitnehmer noch Überstunden haben, die abgebaut werden können. Danach kann ein Unternehmer für seine Firma Kurzarbeit beantragen.

Müssen Arbeitnehmer die Kurzarbeit annehmen?

Bei dem Angebot der Kurzarbeit hat man als Arbeitnehmer immer die Wahl: Wenn man die Kurzarbeit nicht annimmt, kann es natürlich schneller dazu kommen, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht mehr bezahlen kann und somit droht dann die Kündigung.

Kann mich mein Arbeitgeber zum Homeoffice zwingen?

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten bei solchen Fragen an einem Strang ziehen. Für viele ist Homeoffice auch sehr hilfreich, weil sich Arbeitnehmer dann beispielsweise besser um ihre Kinder kümmern können. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Arbeitnehmer in die Zurverfügungstellung eigener Infrastruktur einwilligen müssen.

Dürfen Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern verlangen, dass sie jetzt Urlaub nehmen?

Ja. Denn bevor ein Antrag auf Kurzarbeit genehmigt wird, muss ein Unternehmen erst alle anderen Mittel ausschöpfen. Und das wird auch kontrolliert.

Kann ich gekündigt werden, weil ich Corona habe?

Nein, das ist nicht möglich.

Kann mich mein Arbeitgeber kündigen und auf Schadensersatz verklagen, wenn sein Betrieb wegen meiner Corona-Infektion geschlossen werden muss?

Das hängt davon ab, ob ich wusste, dass ich mit dem Virus infiziert bin. Wenn das der Fall ist, kann ein Unternehmer gegenüber dem Arbeitnehmer Ansprüche geltend machen. Das gilt aber nur in der Theorie. Denn kein Arbeitnehmer kann den betriebswirtschaftlichen Schaden ausgleichen, der dadurch entsteht, dass aufgrund seiner Infektion ein Betrieb geschlossen werden muss. Da es sich dann auch um eine Körperverletzung der Kollegen handelt, würde sich in einem solchen Fall auch der Staat zur Strafverfolgung einschalten. Wer seine Kollegen unwissentlich mit dem Coronavirus infiziert, kann dafür von seinem Arbeitgeber nicht zur Rechenschaft gezogen werden.Fragen von Dennis Duddek