Der Rohrhaldenbrunnen stammt von einem Arbeitsdienst aus dem Jahr 1933

Vierzig Pfennig Reinverdienst

17.05.2023

Das ist das Foto, das uns TAGBLATT-ANZEIGER-Leser Herbert Klement gemailt hat. Es zeigt einen gefassten Wasserlauf in der Rohrhalde mit der Aufschrift „Notstandsarbeit 1933“.

Das ist das Foto, das uns TAGBLATT-ANZEIGER-Leser Herbert Klement gemailt hat. Es zeigt einen gefassten Wasserlauf in der Rohrhalde mit der Aufschrift „Notstandsarbeit 1933“.

Wer kennt die Geschichten dazu?“, wollte TAGBLATT-ANZEIGER-Leser Herbert Klement wissen, der den Brunnen mit der Aufschrift „Notstandsarbeit 1933“ bei einem Spaziergang in der Rohrhalde entdeckte.

Wir können helfen: Vor ziemlich genau 20 Jahren, am 24. Mai 2003, schrieb Helmuth Eisenbach im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT einen ausführlichen Artikel zu diesem Brunnen. Der Anlass damals: Die anstehende 800-Jahr-Feier Kiebingens im Juli 2004, weswegen die Kiebinger auch ihre Brunnen auf Vordermann brachten.

Helmuth Eisenbach schrieb: „Kiebingens Rohrhaldenbach wird aus vielen Quellen des Rammerts gespeist. Das reichlich vorhandene Wasser tritt an verschiedenen Stellen des Tales zu Tage. Nicht umsonst lag dort oberhalb der Klinge das Paulinenkloster, das 1786 aufgehoben wurde. Der freitägliche Fisch für die Mönche ließ sich vermutlich im aufgestauten Wasser direkt vor den Klostertoren züchten.

An einer Wegbiegung steht das Rohrhaldenkreuz aus dem 19. Jahrhundert. Es erinnert zusammen mit dem „Paulinenbrünnele“ gleich daneben an das ehemalige Kloster des Augustinerordens. Das Brünnele ist zur Zeit aus Sicherheitsgründen eingezäunt und soll auch noch hergerichtet werden, wie Ortsvorsteher Ottmar Raidt versichert. Denn zum Jubiläum wurden fünf Arbeitskreise eingerichtet – einer davon ist der „AK Brunnen Rohrhalde“, der auch die übrigen im Ort noch vorhandenen rund zehn Brunnen auf ihren derzeitigen Zustand untersuchen soll. Der Arbeitskreis hatte es sich zunächst zur Aufgabe gemacht, den Rohrhaldenbrunnen zu sanieren: Dieser liegt ungefähr 150 Meter unterhalb des Kreuzes.

Gebaut wurde dieser Brunnen im Laufe eines Arbeitsprogramms zur Instandsetzung des Rohrhaldenwegs im Juni 1933. Aufgrund der hohen Arbeitslosenzahlen – 6 Millionen waren es damals – wurde für Langzeitarbeitslose staatliche Arbeit geschaffen. Bürgermeister Anton Langheinz musste Langzeitarbeitslose, die Fürsorge bezogen, dem Arbeitsamt melden. Die Gemeinde konnte dafür beim Arbeitsamt Projekte für gemeinnützige Aufgaben anmelden, wobei der Straßen- und Wegebau im Vordergrund stand. Wie Ortsvorsteher Raidt beim Studium alter Akten herausfand, wurde am 1. März 1933 vom achtköpfigen Gemeinderat beschlossen: „Der Weg entlang dem Kelternwald bis zur Brücke an der Klinge und der alte Rohrhaldenweg von der Kelter bis zum so genannt Stadtwegle soll vom Freiwilligen Arbeitsdienst instand gesetzt werden.“ Nachdem das Projekt genehmigt war, wurde nur für diese eine Notstandsarbeit der Gemeinde ein „Freiwilliger Arbeitsdienst“ gebildet. Dieser wurde von der Regierung Heinrich Brüning 1931 eingerichtet. Der bekanntere „Reichsarbeitsdienst“ (RAD) wurde erst 1935 befohlen und war eine sechsmonatige Arbeitsdienstpflicht für die gesamte männliche und weibliche Jugend des Reiches vom 18. bis zum 25. Lebensjahr. Er sollte „die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung erziehen“, wie der Volksbrockhaus von 1940 definiert.

Der Arbeitsdienst „erschloss“, wie einer Tafel an der Kreuzung Bühlertalweg/Rennweg bis heute zu entnehmen ist, im Jahr 1935/36 „57 Hektar Wald“. Was laut Raidt bedeutet, dass „Wege zur Holzabfuhr“ angelegt wurden. Hinter der unweit dieser Kreuzung gelegenen Bühler-Tal-Hütte finden sich am Boden noch Mauerreste des einstigen Reichsarbeitsdienstlagers. Am Rohrhaldenweg zogen am 29. Juni 1933 der Maurer Roman Raidt als Vorarbeiter und etwa 30 Männer als Arbeiter im Monat Juli jeden Morgen angeblich mit einem Lied auf den Lippen zur Baustelle: „Vierzig Pfennig ist der Reinverdienst, es lebe hoch der Arbeitsdienst!“ Nur der Vorarbeiter erhielt 50 Pfennig, wie Raidt recherchiert hat. Zehn Kiebinger stellten ihre Stoßkarren zur Verfügung und erhielten dafür je eine Reichsmark als Entgeld.

Vor dem Wegebau musste man den Hang entwässern. Dazu wurde die Quelle gefasst und ein Brunnen aus Sandsteinen gebaut; diesen schützte ein Eisengitter mit Röschen als Schmuck.“ TA

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17.05.2023, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 17.05.2023, 01:00 Uhr

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