Gemischtes Publikum

Der Rote Tresen ist ein politischer Kulturabend

Der Rote Tresen ist eine kostenlose, monatliche Veranstaltungsreihe, die schon seit fünf Jahren regelmäßig im Club Voltaire stattfindet. Einer der Organisatoren und Mitbegründer ist Paul Rodermund, Doktorand in den Neurowissenschaften. Ihn traf der TAGBLATT ANZEIGER zum Gespräch.

06.02.2019

Der Tübinger Student Paul Rodermund organisiert den Roten Tresen im Club Voltaire mit. Bild: Philipp Schmidt

Der Tübinger Student Paul Rodermund organisiert den Roten Tresen im Club Voltaire mit. Bild: Philipp Schmidt

TAGBLATT ANZEIGER: Wie kam es zum „Roten Tresen“?

Paul Rodermund: Angestoßen wurde das Format von der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) in Tübingen. Der Club Voltaire bietet einen schönen Rahmen. Lustigerweise wurde der Club schon in den 70er Jahren von der SDAJ genutzt. Seit letztem Jahr haben wir uns mit anderen politischen linken Gruppen zusammengetan. Beteiligt sind: Die Deutsche Kommunistische Partei, die Marx-Engels-Stiftung, die Hochschulgruppe der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriege, das Friedensplenum und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Einmal im Monat wird ein politischer Kulturabend gestaltet. Meistens laden wir zum zweiten Dienstag im Monat abends in den Club Voltaire ein. Wir zeigen oft politische Filme, die weniger bekannt sind, haben Lesungen, oder Vorträge. Anschließend findet eine Diskussion statt.

Welche Themen werden behandelt?

Oft konzipieren wir ganze Reihen. Anfangs haben wir uns zum Beispiel mit kämpferischen Frauen befasst. Es gab Portraits. Eines von Angela Davies von der Black Panther-Bewegung, eines von Phoolan Devi aus Indien und auch eines von Olga Benario zum antifaschistischen Widerstand in Deutschland. Meistens versuchen wir einen aktuellen Anlass mit einem allgemeineren Thema zu verknüpfen. Einmal haben wir einen damals aktuellen Film über Heckler & Koch in Oberndorf gezeigt und anschließend über Krieg und Frieden debattiert. Wir haben „Pride“ gezeigt in Kombination zu Sexualität und Arbeiterbewegung. Auch zu Fluchtbewegungen hatten wir eine kleine Reihe gemacht. Konkret ging es dabei um Fluchterfahrungen von Syrern. Außerdem machen wir gerne etwas zu Jahrestagesanlässen. Vergangenes Jahr gab es da einiges, 200 Jahre Marx, 100 Jahre Novemberrevolution, zum Spanischen Bürgerkrieg, den Tag der Befreiung. Wir behandeln also eine ziemlich breite Palette.

Stehen die nächsten Themen schon fest?

Im Februar übernimmt das Friedensplenum Tübingen die Moderation und wird am nächsten Dienstag den Film „Ukrainian Agony“ zeigen. Darin geht es um einen Journalist, der seit einiger Zeit in Donezk lebt und versucht, eine Gegenperspektive auf den Krieg, der in manchen Gebieten immer noch wütet, zu bieten, die Russland nicht als primären Aggressor begreift. Ich habe den Film allerdings selbst noch nicht gesehen. Im April wird es dann etwas zur Europawahl geben.

Wie heiß geht es bei den Diskussionen zu?

Es wird durchaus kontrovers diskutiert, was bestimmt auch an der Zusammensetzung liegt. Unsere Besucher sind zu einem großen Teil junge Leute, viele davon Studierende. Aber da andere Gruppen auch ältere ansprechen, ergibt sich meistens ein gemischtes Publikum.

Kann jeder, der zufällig hinzukommt, der Diskussion folgen?

Das ist auf jeden Fall unser Ziel. Das Konzept ist, dass es einen niederschwelligen Einstieg gibt, oft mit dem Format eines Films. Der Rote Tresen möchte ein Türöffner sein, um ohne großes Vorwissen in politische Auseinandersetzung zu kommen.

Was hat Sie zur SDAJ gebracht?

Ich komme ursprünglich aus Essen und war damals in der Schülervertretung sehr aktiv. Dadurch bin ich zum ersten Mal mit Leuten der SDAJ in Kontakt gekommen. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm haben mir die Forderungen der SDAJler gut gefallen und ich habe engeren Kontakt gesucht.

Eine inhaltliche Frage zum Schluss: Gibt es denn das Proletariat überhaupt noch?

Meine persönliche Antwort lautet: Auf jeden Fall! Das Erscheinungsbild des Proletariats ist sicher ein anderes als das klassische vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Wenn man aber sagt, der Hauptunterschied zwischen Bourgeoisie und Proletariat besteht in der Stellung zu den Produktionsmitteln – also lebe ich von fremder Arbeit oder bin ich selbst lohnabhängig – erklärt diese Unterscheidung auch heute noch vieles. Subjektiv wird die Gemeinsamkeit unter Lohnabhängigen leider oft nicht empfunden. Man muss erst lernen, dass einen mehr mit seinem Kollegen, der eine andere Hautfarbe und ein anderes Geschlecht hat, verbindet als mit dem Chef. Auch der Rote Tresen kann dazu einen Beitrag leisten.

Interview: Philipp Schmidt

Der Rote Tresen findet im Tübinger Club Voltaire, Haaggasse 26B, statt. Er sucht immer politisch Interessierte, die sich miteinbringen wollen. Melden können sich auch Gruppen bei der SDAJ Tübingen.