Hochexperimentelle Tonschöpfungen

Der Tübinger Gitarrist Thomas Maos veröffentlicht mit „Glühen“ ein neues Album

Thomas Maos kann polarisierende Musik machen. Kann die Ohren in Grenzbereiche führen, geleitet freilich immer vom Impetus eines Klangforschers, eines Grenzenausloters, eines Gewohnheitenkillers. Nun hat der Tübinger Gitarrist mit „Glühen“ ein neues Soloalbum veröffentlicht, aufgenommen zwischen 2018 und 2020 in den Kaserne-Studios Tübingen und gemastert von Jörg Bielfeldt.

14.04.2021

Fast stoisch seziert Thomas Maos Musik – und fügt sie dann aber liebevoll wieder zusammen. Bild: Jürgen Spieß

Fast stoisch seziert Thomas Maos Musik – und fügt sie dann aber liebevoll wieder zusammen. Bild: Jürgen Spieß

An einer Kategorisierung von Thomas Maos‘ Musik sind schon viele gescheitert. Man sollte sich seine Musik deshalb nicht harmonisch oder konventionell vorstellen. Auch produziert er keine Alben, die man mal so nebenbei zum Kaffeekränzchen oder Autofahren hört. „Glühen“ heißt die neue CD des Tübinger E-Gitarristen, im Untertitel „electro-acoustic transformations in a mediterranean setting“ – hochexperimentelle Tonschöpfungen für die Stromgitarre also. Und wie man das von Thomas Maos gewohnt ist, mutet er seinen Zuhörern mit den zwölf Stücken einiges zu. Mit einer sechssaitigen Beck-Gitarre „anima“ und Klangverzerrern ausgerüstet, lässt er seinen Fantasien freien Lauf und entfesselt einen Orkan aus splitternden, knarrenden Noten. Zuhören, Verharren, Staunen heißt die Devise – vom Anfang bis zum Ende.

Thomas Maos ist ein Gitarren-Avantgardist, der von einer ausufernden Freude an seinem jede herkömmliche Vorstellung von Gitarrenspiel zerstörenden Treiben angetrieben scheint. Dessen Spektrum von verzerrten, sphärischen Klängen über flüchtige Wischereien auf dem Griffbrett bis zu einem volumenarmen Aufheulen der Saiten reicht. Das Resultat hat mit Musik im herkömmlichen Sinne zwar wenig zu tun, aber diese Metamorphosen sind enorm spannungsgeladen und schaffen eine ganz eigene Ästhetik: Häufig kann man die Geräusche nicht in Bezug zu ihrer Quelle setzen und die konventionellen Kategorien wie Harmonie, Rhythmus und Melodie gehen an Maos‘ Stücken meist vorbei.

Die Sounds des in Zypern geborenen Musikers und Mitinitiators der bekannten Experimental-Reihen „Sonic Visions“ und „Camp“ wirken in diesen Momenten wie Klangfilme, die mit einem Sampler gedreht wurden, in der Hauptrolle die E-Gitarre. Mal gibt sich Maos als eine Art Manuel Mota light mit eigenwilligem Sound und dem Hang zu spacigen Klängen. Dann wieder führt er seine Musik an die Grenzen, indem er sie durch kleine instrumentale Intermezzi aufbläst. Fast stoisch seziert er die Musik, zerschreddert die Sounds, fügt sie dann aber liebevoll wieder zusammen. Und plötzlich scheinen aus seinem Gitarrenhals Lochstreifen zu schießen. Meterlange Lochstreifen mit nicht endenwollenden Botschaften. Schließlich versinkt Maos komplett in der Papierlawine, die Musik wird immer leiser.

Der Gitarrist bleibt bei Stücken wie „donkey konkret“ „submarine silence is spiritual“ oder auch dem mit 11:37 Minuten längsten Track „megadrohne“ konsequent bei seinem das ganze Album durchziehenden Impuls: keine Noise-Musik im lauten Sinn, kein Lärmorkan, stattdessen meist unkonventionell klingende Gitarrenexperimente, Spielereien, Klanglandschaften, dunkelgrau flimmernde Rückkopplungsflächen. Die übereinandergeschaufelten Klangcollagen faszinieren irgendwie, vereinnahmen das Denken, ergreifen erbarmungslos Besitz vom Zuhörer.

Dies feinnervigen Klänge verlieren sich auf „Glühen“ in ihrer Unerklärlichkeit oft in schemenhaften Sounds. Aber immer wieder entsteht auch aus dem Neben- und Miteinander von experimentellem Klang ein packender Sog. Dabei geht die größte Sogwirkung selten von der Musik, sondern vielmehr von Thomas Maos‘ kreativer Experimentierfreude aus. Jürgen Spieß

Das Album „Glühen“ kann man über thomas.maos@gmx.net oder im Tübinger Rimpo erwerben.