Der Brückenbauer

Der indische Perkussionist Trilok Gurtu kommt zu den Tübinger Jazz-und-Klassik-Tagen

08.09.2021

Der indische Perkussionist Trilok Gurtu kommt zu den Tübinger Jazz-und-Klassik-Tagen

Im Alter von vier Jahren begleitete er erstmals seine singende Mutter, indem er auf dem Tisch herumtrommelte. Bereits in frühester Kindheit genoss er eine musikalische Erziehung und galt in Indien bald als musikalisches Wunderkind. In den 70er-Jahren führte der Weg von Trilok Gurtu über New York nach Hamburg, wo er bis heute lebt.

Hervorragende Technik, Originalität und unfehlbares Gespür für einfallsreiche Rhythmen bescheinigen ihm gleichermaßen Musikerkollegen, Kritiker und Publikum. Viele halten ihn für den größten Perkussionisten und Tabla-Spieler der Welt, der alle Anforderungen, die man an Perfektion und Virtuosität stellt, erfüllt. Die Rede ist von Trilok Gurtu, der von sich behauptet, „nicht ich habe mein Instrument gewählt, das Instrument hat mich ausgesucht“. Niemand beherrscht die beiden kleinen Trommeln, die auch Vierteltöne verwenden, so virtuos wie der am 30. Oktober 1951 in Bombay geborene Trilok Gurtu. Und nur ganz wenige haben sich wie er als Tabla-Spieler und Perkussionist auch im Westen einen Namen gemacht.

Die ersten musikalischen Anregungen bekam er von seinem Großvater, einem hoch angesehenen Sitar-Spieler, dem älteren Bruder Ravi und seiner Mutter Shobha Gurtu, die in den 50er- und 60er-Jahren als eine der bekanntesten Sängerinnen des nordindischen Gesangstils „Thumri“ galt. Als der 21-jährige Guru 1973 beschloss, seine Heimat in Bombay zu verlassen und mit der Band Waterfront durch Europa zu reisen, kannte ihn noch niemand im Westen. Er lebte einige Zeit in Italien, schloss sich der Popmusik-Truppe von Rahul Dev Burman und der Filmmusik-Sängerin Asha Bhosle an und kehrte dann nach Indien zurück. Von da an verfolgte er konsequent sein Ziel, eine feste Größe in der Musikwelt zu werden. Er spielte mit verschiedenen Jazzmusikern zusammen, aber auch in der klassischen Musik, etwa mit den Klavier spielenden Lebèque-Schwestern oder dem Cello-Virtuosen Yo-Yo Ma, machte er sich einen Namen.

1977 schließlich führte ihn sein Weg über New York nach Hamburg, wo er den Jazztrompeter Don Cherry kennenlernte und mit der deutschen Band Embryo, dem Saxofonisten Charlie Mariano und dem Gitarristen Philip Catherine zusammenspielte. Hamburg wurde zu jener Zeit seine neue Heimat, von hier aus unternahm er Tourneen mit Ralph Towners Band Oregon (1984 bis 1988) und nahm 1985 mit Jan Garbarek das richtungsweisende Album „Song for Everyone“ auf.

1988 wurde schließlich der weltbekannte Gitarrist John McLaughlin auf Gurtu aufmerksam und lud ihn ein, sein reformiertes Mahavishnu Orchestra zu ergänzen. Vier Jahre lang war er fester Bestandteil von John McLaughlins Band, absolvierte mit ihm mehrere Welttourneen und spielte diverse Alben ein. Am 21-Ton-Schema der indischen Musik hielt der Musiker aus Bombay auch fest, als er in der Folge mit zahlreichen westlichen Musikern aus der Jazz- und Rockszene wie Joe Zawinul, Bill Laswell, Maria João, Gilberto Gil, Pharoah Sanders, Annie Lennox und Pat Metheny zusammenarbeitete.

Dabei versuchte er immer, seine nordindische Musiktradition in den unterschiedlichsten Projekten einfließen zu lassen – ob bei den Alben, die er seit Anfang der 90er-Jahre unter eigenem Namen veröffentliche oder in der Zusammenarbeit mit Musikern wie Angelique Kidjo, Youssou N‘Dour, Steve Lukather oder Salif Keita. Selbst vor ungewöhnlichen musikalischen Verbindungen wie zu dem Bluesgitarristen Gary Moore, dem italienischen Arké String Quartett oder dem tuvinischen Obertonchor Huun Huur Tu schreckte er nicht zurück. Sieben Mal gewann er den Downbeat Poll als bester Perkussionist des Jahres.

Gleichzeitig begab er sich auch weiterhin unermüdlich auf die Suche nach neuen, ausgefallenen Sounds. Ob Cymbals, Snaredrums, Toms, Congas, indische Tablas, Klanghölzer, Kuhglocken und sogar ein Eimer halb gefüllt mit Wasser – nichts ist vor ihm sicher. Doch ebenso faszinierend behandelt er auch ganz gewöhnliche Trommeln und Becken seines Schlagzeugs und setzt diese nicht nur rhythmisch, sondern auch melodisch in Szene.

Trilok Gurtu gilt heute als einer der Mitbegründer der Weltmusik und längst gibt es für ihn keine festgelegten Genregrenzen mehr. Sein Credo lautet: „Ich will zeigen, dass Musik eins ist – ohne Wörter, Sprache und Erklärungen. Wir Musiker bauen Brücken, keine Barrieren.“

Jürgen Spieß / Bild: Rainer Ortag

Die Trilok Gurtu Band tritt am 23. Oktober bei den Tübinger Jazz-und-Klassik-Tagen im
Sudhaus auf.